Zollbeamter am Bahnhof Summerau

Zollbeamter am Bahnhof Summerau.

Nikolaus Schwaiger erzählte bei zwei Interviews in den Jahren 2019 und 2020 dem Heimatverein Rainbach i. M. unter anderem über seine Tätigkeit als Zöllner im Zollhaus in Deutsch Hörschlag und am Bahnhof Summerau.

Geboren in Ebensee, als Sohn eines Berufsjägers, verbrachte Nikolaus Schwaiger sechseinhalb Jahre seiner Kindheit im Elternhaus nicht weit von der Talstation der Feuerkogelseilbahn entfernt. Übersiedelt nach Mitterweißenbach, besuchte er in Weißenbach die einklassige Volksschule und danach in Bad Ischl die Hauptschule. Eine schwierige Zeit: Der Vater musste 1941 einrücken und kam erst im Mai 1945 wieder heim und die Mutter hatte ein Hüftleiden. Für Nikolaus Schwaiger kam 1943 das Wehrertüchtigungslager Gosau, 1945 ein Volkssturmlager in Obertraun und anschließend noch die Arbeit in einem Steinbruch in Schärding. Nach dem Krieg folgten fast drei Jahre in einer Gärtnerei in Bad Ischl und dann eine Vertretertätigkeit bei einer Versicherung. Er war froh Arbeit zu haben, aber das was er machte, waren nicht seine Traumberufe, auch nicht die vom Onkel angepriesene Gendarmerie. Da konnte er sich eher eine Stelle bei der Finanzlandesdirektion, dem Zoll vorstellen. Zwar nicht wissend, was das wirklich war, hatte sich Nikolaus Schwaiger da beworben. Voraussetzung für eine Aufnahme waren unter anderem die Militärtauglichkeit, eine Aufnahmeprüfung mit Rechnen und ein Augenmerk auf sehr gutes Lesen. Nach positivem Bescheid dann der Besuch der Zollschule in Kammern. Und am 21. September 1948 fuhr Nikolaus Schwaiger mit dem Zug nach Summerau zu seinem ersten Dienstantritt im Zollhaus in Deutsch Hörschlag. Es war eine elendslange Bahnreise in Waggons mit Holzbänken und mehrmaligem Umstieg. Irgendwann dann beantwortete der Schaffner die Frage, wann den Summerau endlich käme, mit: „Nach dem Bauernhaus da links, dem „Semmelbauer“, sind rechts bald die Häuser des Dorfes zu sehen“. Nach der Ankunft am Bahnhof Summerau als angehender Zöllner kam eine große Enttäuschung! Schon in der kleinen Dorfschule in Weißenbach hatte er vom so wichtigen Bahnhof Summerau an der tschechischen Grenze erfahren. Nun die Enttäuschung, denn hier war dann alles nur rußig, stinkend und verraucht von den Dampfloks. Daheim war die Linie nach Bad Ischl längst elektrifiziert und es gab da keine Dampflokomotiven mehr. So stand er nun mit der Reisetasche am Bahnhof. Auf einmal tippte ihn jemand von hinten an und fragte ihn, ob er der neue Zöllner für Deutsch Hörschlag wäre. Es war ein Zollkollege, der dann mit ihm zu Fuß die Bahngeleise entlang in Richtung Tschechei marschierte. Vom Viadukt in Deutsch Hörschlag aus stellte der ortskundige Begleiter das dortige Zollhaus so vor: „Schau, hinter den Bäumen kannst schon den Rauchfang vom Wolkenkratzer Zollhaus sehen“. Am nächsten Tag ging er dann mit einem der neuen Kollegen zu Fuß nach Rainbach, um sich anmelden, auf die Gemeinde und auf das Pfarramt. Das war der Dienstbeginn in dem Anfang der 1920er Jahre errichteten Zollhaus Deutsch Hörschlag.

Natürlich hatte der junge Zöllner Nikolaus Schwaiger auch Heimweh. Die Leute waren zwar nett, aber auch reserviert und hier fehlten vor allem die richtigen Berge. Im Ort waren die Wirtschaftsgebäude noch mit Stroh gedeckt und es gab im Dorf sowie im Zollamt noch keinen elektrischen Strom. Da hieß es das tägliche frische Diensthemd noch mit dem Stachelbügeleisen sauber aufbügeln. Eine der Aufgaben der Zöllner in Deutsch Hörschlag waren regelmäßige, weiträumige Kontrollgänge an der Staatsgrenze. Dabei mussten immer bestimmte, vorgegebene Punkte am Grenzverlauf angegangen werden. Bei diesen Kontrollgängen hatte Nikolaus Schwaiger auch irgendwann, als er beim Bahnwächterhaus Nr. 724 vorbeikam, das Fräulein Josefa kennen gelernt. Sie war die Tochter des dort Dienst habenden Bahnwärters Anton Rieger und sollte später seine Frau werden. (1)

Im August 1950 erfolgte die dienstliche Versetzung nach Haibach bei Schärding und 1953 dann die nach Diendorf im oberen Mühlviertel. In ein alleinstehendes Zollhaus in der Einschicht. Die harten, schneereichen Winter hier sowie die weiten Wege zum Einkauf und zu öffentlichen Verkehrsmittel werden wohl ewig in Erinnerung bleiben. Da der Schulbesuch der heranwachsenden Tochter in Diendorf eine Unterbringung des Kindes bei fremden Leuten in Aigen erfordert hätte, wurde um eine Versetzung zum Zoll am Bahnhof Summerau angesucht. Außerdem hatten die Eltern seiner Frau mit einem Anbau an ihr Haus in Freistadt begonnen. Für das Zollamt Summerau hatte er sich deshalb beworben, weil da zur Fahrt von seinen Schwiegereltern in die Arbeit kein Auto nötig war. Bei anderen Zollstationen, wie zum Beispiel Wullowitz, wäre das von Freistadt aus nicht gegangen.

Die Eisenbahnstation Summerau war 1919 Zollexpositur des Hauptzollamtes Linz geworden (2), während des zweiten Weltkrieges Haltestelle ohne Zollabwicklung (3) und 1946 wieder Bahnhof mit einer Zollwacheabteilung.(4)

Am 27. Mai 1957 erfolgte dann die Versetzung von Nikolaus Schwaiger als Zöllner auf den Bahnhof Summerau. Da es auf der Straße von Freistadt zur Diensstelle viel weiter war, fuhr er längere Zeit mit dem Fahrrad und später mit Moped nach Summerau, immer entlang der Bahnlinie. Dabei musste zum Seitenwechsel auf die andere Seite des Schienenstranges mehrmals sein Fahrzeug über die Geleise gehoben werden.

Am Bahnhof Summerau, wo auch mehre Bahnbedienstete mit Familie untergebracht waren und in den Wohnbaracken, in denen ebenfalls Eisenbahnerfamilien wohnten, war damals immer sehr reges Leben. Neben dem Pumpenhaus standen eigene Quartierwägen für böhmische Bahnbedienstete. Eine tschechische Eisenbahnerin soll sogar eine ehemalige tschechische Gräfin gewesen sein. Später wurde für fremdes Zugspersonal östlich vom Bahnhofsgebäude ein Neubau errichtet.

In dieser Zeit gab es hier acht Zöllner, mit einem Zollbeamten als Vorgesetzten. Alle hatten Uniform und Dienstwaffe. Das Zollbüro befand sich im Bahnhofsgebäude schienenseitig, von rechts die zweite Tür, mit Durchgang zum EDV-Raum, zum Zollvorstand und zur Grenzpolizei. Den Dienst und die Aufgaben schilderte Nikolaus Schwaiger wie folgt: Dienstzeiten der Zöllner waren 24 Stunden, von 14:00 bis 14:00 Uhr und dann 48 Stunden frei. Fallweise gab es auch 12 Stunden Dienst, von 7:00 bis 19:00 Uhr und dann 24 Stunden frei. Und manchmal auch bis 23:00 Uhr, beziehungsweise bis 24:00 Uhr. Die meisten Zollkollegen kamen mit der Bahn zum Dienst nach Summerau. Bei Engpässen musste fallweise auch ein Kollege vom Zollamt Deutsch Hörschlag aushelfen.

Aufgabe der Zollstelle am Bahnhof war die Zollabwicklung aller nicht durch Österreich durchlaufenden Frachten und Waggons. Dazu gehörte auch eine Beschau dieser Züge. Dabei wurde bei einfahrenden Zügen der Inhalt offener Waggons von oben kontrolliert. Für Züge aus Linz von der Plattform des westlichen Holzturms beim Stellwerk I und bei Zügen aus CSSR von der östlichen Bahnböschung beim Einschnitt. Der ehemalige östliche Zöllnerturm hier existierte 1957 nicht mehr. Weiters musste gemeinsam mit dem Bahnpersonal, auch der Inhalt geschlossener Waggons kontrolliert werden. Dazu waren unter anderem Frachttüren und bei Kesselwaggons auch die Deckel zu öffnen. Die hier entnommene Proben gingen teilweise ans Labor zur Untersuchung. Nur besonders gekennzeichnete Gefahrguttransporte durften nicht geöffnet werden. Diese gab es zwei- bis dreimal im Jahr. Angemerkt sei, dass nie Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei auf oder in Waggons entdeckt wurden, jedoch Schmuggelgut. Zur Zollkontrolle bei Zügen aus CSSR wurden die Zug- und Frachtpapiere vom tschechischen Zugsführer an den österreichischen Transiteur übergeben. Dieser machte eine grobe Bahnhofszuteilung der Waggons für den Verschub und gab die Papiere an die Güterkasse. Hier wurde eine genauere Waggonzuteilung vorgenommen und die Begleitpapiere für die Verzollung vorbereitet. Beim Zoll galt es nach Prüfung die rechte Seite der Zollpapiere auszufüllen, zu bestätigen und die Papiere retour an das Bahnpersonal zu gegeben. Bei Zügen aus Linz war der Ablauf ident, nur die Papiere wurden vom ÖBB-Zugsführer an den Transiteur übergeben.

Als Dienstgrade für Dienstführende hier beim Zoll nannte Herr Schwaiger: Hilfszollwache, Provisorischer Zollwacherevisor, Zollwacherevisor, Zollwacheoberrevisor, Zollwachekontrollor, Zollwacheoberkontrollor, Zollwacheinspektor, Zollwachegruppeninspektor und für leitende Zollwachebeamte unter anderem Zollwacheinspizient, Ober- und Hauptinspizient.

Hier seien noch einige Erinnerungen von Nikolaus Schwaiger aus der Zeit als Zöllner im Zollamt Summerau festgehalten, die er ebenfalls erzählte:
In Personenzügen aus der Tschechoslowakei kamen manchmal älteren Personen auf Verwandtschaftsbesuch in Österreich und hatten nicht einmal das Geld für das österreichische Visum dabei. Da haben oft Bedienstete aus Summerau leihweise ausgeholfen. Und alles wurde wieder zurückgezahlt! Mit Zollbeamten aus CSSR hat es keine Kontakte gegeben. Auch zum Bahnvorstand von Summerau gab es kaum Kontakt und die Fahrdienstleiter verkauften damals auch noch am Schalter die Fahrkarten. Heute ist da ein komplexer Fahrkartenautomat.

Das Magazin am Bahnhof war auch Zollmagazin. Da wurden für Geschäftsleute bei der Abholung auch die aus dem Ausland kommenden Waren verzollt. Überhaupt war der Güterumschlag im Magazin eine Zeit lang recht groß: oft komplette Waggonladungen oder Einzellieferungen für und von Firmen, oder Private.

1967 wechselte Herr Schwaiger zur Funkstelle im Schloss Freistadt. Weil diese 1978 wieder aufgelassen wurde, kehrte er in das Zollamt Bahnhof Summerau zurück. Hier ging er auch 1989 in Pension und erinnert sich noch gerne an seine Zeit als Zöllner in Deutsch Hörschlag und am Bahnhof in Summerau. Nikolaus Schwaiger hat den Beruf gemocht, auch wenn der Nacht- und Schichtdienst schon sehr körperauszehrend war. Er hatte überall gute Kollegen.

1991 wurde das Zollamt am Bahnhof Summerau dem Zollamt Wullowitz unterstellt und 2004 wurde diese Zweigstelle des Zollamtes am Bahnhof Summerau aufgelassen. Einige ehemalige Zöllner wechselten da auch zur Polizei.

(1) siehe auch unsere Erzählung Bahnwächterhaus Nr. 724
(2) aus Linzer Volksblatt vom 31.5.1919
(3) aus Handchronik Bahnhof Summerau – Gemeindearchiv Rainbach i.M.
(4) aus 2. Heimatbuch Marktgemeinde Rainbach i.M.

Summerau
1960-1969
Fotos
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Zollhaus Deutsch Hörschlag 1956 - Bildleihgeber Zollarchiv Freistadt
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Östlicher, 1946 errichteter, Zöllnerturm bei der Diensthütte Aschengrube um 1950 - Bildleihgeber Leopold Umbauer Rainbach i.M.
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Westlicher Zöllnerturm um 1960, links Wohnbaracke I mit Konsumgeschäft - Bildleihgeber Reisinger Wilma Summerau Bahnhof
Verfasser

Ing. Johann Lonsing, Summerau Mitte 23, 4261 Rainbach i. M.
Auszugsweise Niederschrift aus Interviews mit Nikolaus Schwäger in den Jahren 2019 und 2020.

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