Von „Inleuten“ und Gewitter

Von „Inleuten“ und Gewitter.

Meine Eltern Johann und Leopoldine Payer sind mit mir und meiner Schwester Katharina (Jg. 1947) am 24. April 1954 von Zulissen nach Rainbach in das „Steinkellner Häusl“ (Rainbach 48, heute Lichtenauerstr. 23) übersiedelt. Hatten sie schon in Zulissen den Status als Inleute, so war es in Rainbach nicht anders. Als „Inleute“ bezeichnete man Mieter, die in einem Bauernhaus oder dessen Austragshäusl wohnen und die Miete durch Arbeitsleistung am Hofe entrichteten. Diese Arbeitsleistung fiel meistens, so wie in unserem Falle der Frau, also meiner Mutter, zu. Der Vater war auswärts in der Arbeit.

Inleute waren keine Dienstboten des Bauern. Sie wurden nur zu Arbeitsspitzen herangezogen. Von sozialer Absicherung war daher auch keine Rede. Gab es so einen Arbeitsbedarf, so war es nach altem Brauch, dass meistens die Bäuerin selbst die Mutter mit den Worten „Payerin, zu der Suppn is“ zum Frühstück und damit zur Arbeit am Hofe einlud.

So war es auch an einem heißen und schwülen Sommertag des Jahres 1954. Heuernte war angesagt. Meine Schwester und ich hielten uns auch am Hofe und später in dessen Stube auf. Draußen donnerte es bereits und in aller Eile wurde die letzte Fuhre Heu eingefahren. Beim Steinkellner war zu dieser Zeit bereits eine Greiferanlage eingebaut. Diese musste aber von der Heufuhre aus händisch bedient werden. Dies war die Aufgabe des Bauern selbst. Ein paar Frauen, darunter die Bäuerin und meine Mutter hatten oben auf dem Heuboden das Heu zu verteilen, das mittels Greifer hinauf befördert wurde.

Meine Schwester und ich hielten uns zu dieser Zeit in der Bauernstube auf. Ich saß auf der sogenannten Fürbank, als uns plötzlich ein ohrenbetäubender Knall aufschreckte. Aus der Stromsteckdose neben mir fuhr ein Feuerstrahl heraus. Ein Blitz hatte eingeschlagen. Er hatte keinen Brand verursacht, aber er hätte trotzdem furchtbares Unheil anrichten können. Bald darauf kamen alle Leute in die Stube. Ganz geschockt waren sie. Die Mutter erzählte dann uns Kindern, was passiert war: Der Bauer stand auf der Heufuhre und war im Begriff, die Greifergabel ins Heu zu setzen, als der Blitz einschlug. Hätte er seine Hände auf dem Metall der Gabel gehabt, wäre er bestimmt tot gewesen. Und hätte der Blitz die Scheune in Brand gesetzt, hätten es möglicherweise die Frauen nicht mehr geschafft, heil vom Heuboden herab zu kommen.

Das Ganze hätte hiermit sehr tragisch ausgehen können. Als ich längst schon erwachsen war und ich mich für Familiengeschichte interessierte, bin ich auf die Eheschließung der Steinkellnerleute gestoßen. Sie fand am 20.4.1954 (Trauungsbuch Rainbach VII159) statt, also wenige Wochen vor dem geschildertem Vorfall.

Meine Mutter litt sehr unter der schweren Arbeit, war sie doch schon hochschwanger. Darum übersiedelten wir drei Wochen bevor mein Bruder Erich zur Welt kam, in die Dornmühle bei Apfoltern, die aber zu Helbetschlag gehört. Dort waren wir in Miete und nicht mehr „Inleute“. Zur Schule durften meine Schwester und ich nach Rainbach gehen. Die Dornmühle gehörte zum Schulsprengel Rainbach. Erst im Jahre 1956 konnten die Eltern eigenen Besitz erwerben.

Wenn man aus Berichten ganz früherer Zeiten liest, war damals das Inleutwesen gang und gäbe, so auch noch 1954 in Rainbach, wie aus unserer Familiengeschichte zu entnehmen ist.

Rainbach i. M.
1954
Fotos
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links das „Steinkellner Häusl“ (Rainbach 48, heute Lichtenauerstr. 23) Anfang der 1960er Jahre - Von der Gemeinde Rainbach angekaufte Luftaufnahme
Verfasser

Alfred Payer, Brunnfeld 13, 4262 Leopoldschlag,
Jg 1946

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