Rainbachs Mesnerhaus und seine Bewohner.
"Das im Februar 1972 abgetragene „Mesnerhaus“ am Ortsplatz war bis 1792 Rainbachs erstes Schulhaus. Es stand südlich neben dem Gasthaus Blumauer. Die mächtigen Steine des Mauerwerkes des Abrisshauses wurden zur Aufschüttung der neuen Trasse der Eibensteiner-Straße bei der Bahnüberführung in Summerau verwendet.
Im Taufbuch des Pfarrarchivs von Rainbach scheint bereits im Jahre 1623 der „ludo magister“ (der Schulmeister) Franz Hochholzer als Taufpate auf. Diese Eintragung ist die erste urkundliche Bestätigung einer Pfarrschule in Rainbach, obwohl es sicher schon vor dieser Zeit eine Dorfschule gegeben haben wird. Das Schulzimmer und auch die Wohnung des Schul- meisters wird sich in diesem Haus „an der offenen Straßen, mitten unter den 4 Wirtshäusern *) gelegen“ befunden haben. Fürwahr nicht der ideale Platz für eine Schule. Der Schulmeister war in der damaligen Zeit angehalten, kirchliche Dienste zu verrichten. So musste er bei den Gottesdiensten die Orgel „schlagen“ und die Kerzen anzünden. Auch das „Sturmläuten bei Donnerwetter“ und die Bewachung der Kirche gehörte zu den Pflichten des Schulmeisters.
Wegen des weiten Weges des Schulmeisters zu den Kirchendiensten und um die Schulkinder „von dem zu Zeithen ärgerlichen Getös der Wirtshäuser“ zu entfernen, wurde das Schulhaus am Ortsplatz gegen das südlich an die damalige Friedhofsmauer angebaute „hölzerne Haus“ der Fleischbank des Ruhrstorfers getauscht. Um 1686 war ein gewisser Leeb Besitzer dieses Holzhauses. Dieser war ein Sohn des Mathias Leeb (Löb?), der als Nachfolgebesitzer des „Gasthauses zum Löwen“ aufscheint. Vorheriger Besitzer des Gasthauses war ein Mathias Löb. Da die Schreibweise der Namen weitgehend vom jeweiligen Schreiber der Herrschaft abhing, dürften hier ursprünglich Zusammenhänge der Namen Leeb und Löb und des Hausnamens „zum Löwen“ vorliegen.
Zum Haustausch war damals noch die Bewilligung der Herrschaft notwendig. Mit „Permutationscontract vom 10. Juny 1729“ wurde der Tausch rechtskräftig. Der Haustausch beweist auch, dass zu dieser Zeit die Straße noch nicht zwischen Pfarrhof und Kirche verlief. Hätte das neue Schulhaus nämlich wieder an der vielbefahrenen Straße gelegen, wäre der Tausch, zumindest des Lärmes wegen, sinnlos gewesen (zeitweilig brachten an die hundert Fuhrwerke täglich Salz und Eisen nach Böhmen und führten Tausch- und Handelsware ein). Erst zu Maria Theresias Zeiten wurde die Straße über den Kirchenberg geführt; damals stand die Schule allerdings wieder an der Straße.
Die ersten Besitzer des 1972 abgetragenen Mesnerhauses am Platz lassen sich nicht mehr genau ermitteln, da Häuser im Herrschafts- und Pfarrbesitze nicht zehentpflichtig waren. Vor 1729 war das Haus als Pfarrschule im Besitze der Pfarre Rainbach. Nach dem Tausch gehörte es dem Fleischhauer Ruhrstorfer und 1787 besaß es Michael Hofer. 1828 scheint als Besitzer ein Johann Hager auf und auch in den Jahren 1833 und 1851 lassen sich Nachfahren der „Hager“ feststellen. Am 26. Juli 1853 brach in dem Haus, das indessen von einem Wagner namens Josef Hager bewohnt war, der große Brand aus, der die ganze „Scheibn“ (Dorfplatz) einäscherte. Josef Hager, der auch Mesner war, stiftete das Haus wieder der Pfarre.
Auch sein Sohn Johann Hager übernahm von seinem Vater Josef die Mesnerstelle und wohnte in dem wieder neu aufgebauten Hause am Dorfplatz. Dieser Johann Hager war der „sprachkundige Konduktansager Hager Hansl“ den Pfarrer Josef Schönbaß in der Pfarrchronik in sehr launiger Weise erwähnte." (1)
"Nach ihm übernahm der Schneider Haiböck die Mesnerstelle und wohnte mit seiner Familie dann im Haus. Weil das Haus der Pfarre gehörte, durfte auch der Totengräber Leopold Riepl mit seiner Frau im Mesnerhaus wohnen. Die Enkelin Rotraud erzählte davon: "Das Haus gehörte der Pfarre. Der Mesner und Totengräber durften hier kostenlos wohnen. In den Sommerferien war ich oft einige Tage bei den Eltern meiner Mutter in Rainbach, denn sie waren sehr gemütliche Menschen. Mit dem Pferdefuhrwerk der Bäckerei Pirklbauer in Reichenthal, die meinem Vater gehörte, konnte ich zu ihnen fahren, denn es brachte täglich Brot und Gebäck zu meinen Rainbacher Großeltern. Diese verkauften es in Rainbach. Sie hatten dafür keinen eigenen Raum. In der Wohnküche, in der ein Tisch mit Sesseln, eine Kredenz und ein Sofa waren, stand straßenseitig an der Nordwand des Raumes ein ungefähr zwei Meter breites Regal, in das die Brotlaibe und einige wenige Semmeln, Kipferl und auch Salzstangerl geschlichtet wurden. In diesem Wohnraum erhielten die Kunden ihre gewünschte Ware. Ich erinnere mich, dass Bäuerinnen oft die Semmeln statt mit Geld mit Eiern bezahlten.
Mein Großvater starb im Mai 1936 im 75. Lebensjahr. (aus der Pfarrchronik Band I, Seite 289: „43 Jahre waltete er seines Amtes. Über 2000 Gräber hatte er geschaufelt, nun sank er selbst ins Grab. Aushilfsweise versah Taglöhner Arnold Christan für die Witwe Riepl den Totengräberdienst. Als Frau Riepl nach einem halben Jahr nach Reichenthal übersiedelte, wurde Johann Wagner, ein armer, braver, christlicher Bursche zum Totengräber bestellt. Er gründete gleich eine Familie durch Verehelichung mit Aloisia Tomaschko. Großvaters Nachfolger als Totengräber bezog dann mit seiner Frau die Wohnung, und sie führten auch den Verkauf weiter. Im Jahre 1938 machte mein Großvater den Führerschein und kaufte ein gebrauchtes Auto, einen Steyr50-er-Wagen. Ab nun erfolgte der Transport der Backwaren mit dem Auto. Nach dem Tod des Totengräbers Wagner führte Frau Wagner die Verkaufsstelle bis Mitte der 1960er-Jahre. Auf ihre Vermittlung hin belieferte im Anschluss daran die Bäckerei Pirklbauer, die jetzt schon meinem Bruder Karl gehörte, das Kaufhaus Greul mit unseren Backwaren, die nun dort verkauft wurden. Im Jahre 1989 ging mein Bruder in Pension und die Bäckerei Pirklbauer wurde für immer geschlossen.
Die Zweizimmer-Wohnung meiner Großeltern erreichte man, indem man durch die Hauseingangstür in einen Gang gelangte und sie rechts durch eine Tür betrat. Links wohnte die Schneider- und Mesnerfamilie Haiböck und im ersten Stock die Familie Schneider." (2)
"Frau Ernestine Umdasch, geboren Schneider erzählt: "Das Haus, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, war das Haus Rainbach Nr. 2 am Dorfplatz. Meine Mutter war Postmeisterin, und wir hatten die Wohnung im 1. Stock. Hier war auch das Postamt, das nur aus einem einzigen Raum bestand, untergebracht. Dieser war durch eine hölzerne Wand in den Warteraum und den Amtsraum unterteilt. Hier stand ein Schreibtisch. Daneben war in der Holzwand eine 50 x 50 cm große Schalteröffnung, die man öffnen und schließen konnte. Neben dem Schreibtisch stand der Kartiertisch, vor dem die Briefträger standen und die Post sortierten. An der anderen Wand hing das Telefon. Hier wurde durch das Stecken von zwei mit einem Kabel verbundenen Stöpseln (Stecker) in die entsprechenden Löcher für die Leitung der beiden Gesprächspartner eine Verbindung hergestellt. Als ich klein war, kam mir das als eine sehr schwierige Arbeit vor.
Mein Vater war der zweite in Rainbach, der ein Radio (einen Detektor) besaß. Wenn er dieses einschaltete, mussten wir Kinder besonders ruhig sein. Das war für uns eine Qual. Wir hatten immer soviel zu lachen. Den Grund dafür weiß ich nicht mehr. Wenn der Vater schriftliche Arbeiten erledigte und wir keine Ruhe gaben, holte er die "Liesl" (die Rute), die auf der Kredenz lag, herunter. Meine Schwester hat es nie erwischt, denn sie war die Bravere. Ich bekam schon einmal den Hintern versohlt, dann wurde aber auch ich ganz brav.
Nachdem die Riepl-Leute gestorben waren, zog in die Totengräberwohnung die Familie Wagner ein. Sie bekam kleine Kinder. Da war im Haus wieder etwas los. Diese Familie übernahm auch die Brotverkaufsstelle. Es kamen täglich viele Kundschaften in den kleinen Verkaufsraum, der auch als Wohnraum genutzt wurde.
Im Vorhaus standen die versperrbaren Speiskasteln. Wenn die Haiböckmutter frischen, noch heißen gebackenen Käse herausstellte, rochen wir das oben im 1. Stock und schlichen hinunter. Wir standen wartend in der Hoffnung herum, etwas davon zu bekommen. Die Eltern hatten uns verboten, zu betteln. Aber die Frau Haiböck, die unseren Wunsch von den Augen ablas, hatte ein gutes Herz und schenkte uns jedesmal ein Stückerl. Wie der Käse schmeckte, das vergesse ich nie.
Das Haus hatte keinen Brunnen. Wir mussten jeden Tropfen Wasser vom Gemeindebrunnen, der vor dem Kloster war, heimtragen. Zum Waschen hatten wir einen Waschtisch mit einer Waschschüssel und zum Baden eine Sitzbadewanne. An Wäschewaschtagen mussten wir besonders oft Wasser holen gehen. Das Wasser mussten wir wieder hinaustragen. Nach dem Wäschewaschen fuhren wir zum Schwemmen mit der gewaschenen Wäsche zur Aist bei der Bruckmühle. Für den Weg dorthin benötigten wir eine Viertelstunde.
Außerdem befand sich eine Getreideputzmühle im Haus. Wenn sie in Betrieb war, sagten wir: "Die alte Rumpel rennt wieder." Mit Pferdefuhrwerken brachten die Bauern das Getreide in Säcken. Es wurde in die Putzmühle geleert und am Schluss wieder in Säcke abgefüllt und wieder mitgenommen. Bei diesen Arbeiten hörten und lernten wir auch so manches Schimpfwort, das bei uns zuhause ausgesprochen wurde.
Hinter dem Haus standen zwei große Kastanienbäume mit einer Turnstange. Zur Mittagszeit kamen oft Schulkinder mit mir dorthin, und wir turnten um die Wette. Einmal zerriss ich mir das Kleid dabei. Ich musste mich ganz schnell umziehen, damit ich ja nicht zu spät in die Schule kam.
Neben dem Haus stand die Scherb-Kapelle, die meist mit Blumen geschmückt war. Am Fronleichnamstag wurde sie als Altar benutzt. Links und rechts von dieser wuchs je eine große Linde.
Hinter der Kapelle war der Gemüsegarten. Jeder Familie gehörte ein Drittel davon. Ich erinnere mich noch an die Erdbeeren, mit denen unser Beet "eingezäunt" war, aber auch an schöne Blumen, die dort wuchsen. Die Beete für das Gemüse wurden jedes Jahr gewechselt. Zum Gießen holten wir das Wasser vom Haider-Teich, der zwischen dem Haider- und dem Scherbhaus westlich der Straße war.
Hinter dem Haus stand der Eiskeller. Hier kühlten die Wirte und der Fleischhauer ihre Sachen. An diesen drangebaut war unsere Holzhütte. Durch Latten war diese für jede Partei abgetrennt. An der Südseite dieser Holzhütte standen eine hölzerne Bank und ein Tisch, wo wir am Abend gerne beisammensaßen. Da wurde auch oft miteinander gesungen. Auch kleine Feste wurden gefeiert. Singen und Gitarrespiel war unsere Unterhaltung.
Das Mesnerhaus wurde 1972 abgerissen, die Scherb-Kapelle und die zwei Linden wurden 1973 entfernt, da im Zuge der Sanierung der Bundesstraße und der Ortsumgestaltung Grünanlagen und Gehsteige geschaffen wurden." (3)
Quellenverzeichnis:
(1) Verfasst von Hans Stöglehner zum Teil unter Verwendung des Beitrages "Aus Rainbachs Geschichte" von Leopold Pötscher, veröffentlicht in „Sport Rainbach“, Nr. 17 vom Juli 1972, Seite 15 und 16 – gekürzt
(2) Verfasst von Helmut Knogler nach einem Gespräch mit Frau Rotraud Radner, geborene Pirklbauer, wohnhaft in Reichenthal, Schlossstraße 2, geboren 1923. Der Wortlaut ist nicht orginalgetreu, jedoch deckt sich der Inhalt des Geschriebenen voll mit den Aussagen der Informantin.
(3) Verfasst von Ernestine Umdasch, Erstveröffentlichung im Buch "Von der Dorfmauer bis zur Fensterlucka" Seite 295-298
*) Anton Sageder schreibt in seinem Buch „Rainbach im Mühlkreis“ (Bleibendes und Vergängliches aus 700 Jahren), 1983, Seite 302, dass die Besitzer dieser 4 Wirtshäuser Wirt Andreas Peyrl, Wirt Johann Leeb, Wirtin Salome Leebin, Wirt und Bäcker Josef Gilmayr waren.
Teilweise aus dem Buch "Vom Gleisdreieck bis zur Dorfglocke", in dem man viele weitere interessante Erzählungen über das Leben damals in unserer Gemeinde findet.
Hier findet man eine Auflistung der Beiträge dieses Buches. >>>
Fotos
Verfasser
im Quellenverzeichnis ersichtlich
Info
Falls Sie zu diesem Thema Ergänzendes erzählen wollen oder Fotos zur Verfügung stellen können, dann teilen Sie uns dies bitte schriftlich oder per E-Mail mit. Wir sind gerne bereit Ihren Beitrag oder das/die Foto/s hier zu publizieren.
Jedwede Veröffentlichung dieses Artikels, auch auszugsweise, darf nur mit Erlaubnis des Autors (der Autorin) geschehen.
Bei Verwendung der Fotos ist zu bedenken, dass diese eventuell urheberrechtlich geschützt sind.