Jagd auf ausgebrochene KZ-Häftlinge.
Als am 2. Februar 1945 51 gefangene sowjetische Offiziere aus dem KZ-Lager(Konzentrationslager) Mauthausen ausbrachen, wurde der Volkssturm der ganzen Region noch am gleichen Tag von den SS-Militärmännern (Schutzstaffel) abgeholt. So wie man angetroffen wurde, musste man in die SS-Fahrzeuge einsteigen. Bei mir war das mein Heimatort Summerau. Jene, die nicht zu Hause waren, wurden später abgeholt. Wir wurden in Freistadt in einem Barackenlager sofort militärisch eingekleidet und mit Karabinern bewaffnet. In geschlossenen Militärfahrzeugen wurden wir noch am gleichen Tag in einer großen Umgebung von Mauthausen gegen die Ausgebrochenen positioniert. Der Einsatz dauerte, so glaube ich, ca. 5 Tage oder eine Woche. Abwechselnd wurden wir zur Tag- bzw. Nachtdiensten eingesetzt. Quartier und Verpflegung war im Barackenlager. Wir wussten nicht, dass es sich um russische Offiziere handelte. Ich wusste als Jugendlicher auch über die Funktion eines KZ-Lagers nicht recht Bescheid. Wir wurden informiert, dass es sich um Schwerverbrecher handle, die ausgebrochen seien. Sie dürften auf keinen Fall lebend davon kommen. Sie seien sofort zu erschießen, so lautete der Auftrag, anderenfalls wäre es eine militärische Befehlsverweigerung, die sofort mit dem Tode bestraft werde.
Der ganze Umkreis wurde komplett abgeriegelt, so dass eine Flucht bzw. ein Entkommen nicht möglich war. Die Ausbrecher versteckten sich vorerst in Wäldern und Bauernhöfen. Viele wurden dort aufgegriffen, ohne dass die Bauern in Hütten und Scheunen ihr Versteck wussten. Die Ausbrecher hatten ja nichts zu verlieren. Sie wären ohnedies noch vor Kriegsende ermordet worden. Also versuchten sie noch ihr letztes Glück.
Die erste Nacht, die ich miterlebte, war für mich als jugendlicher Bub ergreifend. Ich war an einem Waldrand positioniert, dort wo erwartungsgemäß die Ausbrecher nachts über das freie Gelände zum Wald zu erwarten waren. Und das hat zu Ungunsten der Ausbrecher auch geklappt. Von weit her und um mich herum hörte ich Schüsse. Neben mir, etwa in einer Entfernung von zehn Metern raschelte und bewegte sich etwas. Ich zittere selbst vor diesen "sogenannten Schwerverbrechnern“. Ich kroch selber mich versteckend in das Gebüsch. Ich hatte Angst, sie könnten mich überraschen, überwältigen, mir das Gewehr wegnehmen und mich töten.
Als es taghell wurde, sah ich das Grauenhafte. Die Erschossenen oder Erschlagenen der Nacht wurden mittels Pferde an Ketten oder Stricken meist an den Füßen angebunden (Die Bauern mussten dies machen) bis zu befahrbaren Wegen zusammen geschleift. Dann wurden sie auf so genannten Mistwagen abtransportiert und ab befahrbaren Autostraßen mit Lastwägen in das KZ-Lager Mauthausen zurück gebracht. Erst an diesem Morgen wurde mir klar, um welch hilflose Leute es sich handelte. Sie waren bei der bestehenden Winterkälte sehr mangelhaft bekleidet, einige nur mit der KZ-Kleidung und oft auch barfuß.
In den nächsten Tagen wurde es ruhiger. Schließlich wurde die Aktion eingestellt, nachdem die Ausbrecher fast vollzählig, natürlich tot, im KZ-Lager zurück waren.
Im Jahr 1945 war ich 18 Jahre alt. Ich lebte bei meinen Eltern auf einem Bauernhof in Summerau. Vom Wehrdienst war ich wegen meines Gesundheitszustandes zurückgestellt. 1944 wurde der totale Krieg ausgerufen. Jeder hatte nach Kräften beizutragen, dass der Krieg zu einem siegreichen Ende geführt werde. Es wurde der Volkssturm organisiert. Alle Männer bis zum 60. Lebensjahr, die nicht zum Militär einberufen wurden, ob alt oder jung, wurden erfasst. Darum musste ich als Angehöriger der HJ (Hitlerjugend) und nun auch als zum Volkssturm Einberufener an einem Wehrertüchtigungslager teilnehmen und die Kriegsausbildung absolvieren. Als dann im Februar 1945 der Volkssturm die Jagd nach den ausgebrochenen KZ-Häftlingen aufnahm, wurde auch ich dabei eingesetzt. Ich hatte das Glück, dass kein einziger KZ-Häftling während meines Einsatzes in meiner Umgebung auftauchte, so dass ich auf keinen Flüchtenden schießen musste. Ich weiß nicht, ob ich auf ihn geschossen hätte. Mir drohte doch im Falle einer Befehlsverweigerung selber die standrechtliche Erschießung. Ich bin der Meinung, dass diese Details festgehalten werden müssen. Darum habe ich diese Schilderung niedergeschrieben.
Verfasser
Josef Hofstadler (geb.1927),
Steinhügel 19, 4210 Unterweitersdorf
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