Firmung in einer Landpfarre

Firmung in einer Landpfarre.

Meine Mutter hatte für mich eine nette, liebe Frau als Firmpatin ausgesucht. Es war eine Bäuerin aus Apfoltern, deren Mann der Cousin meines Vaters war. Sie hatten eine große Landwirtschaft mit einer stattlichen Anzahl von Rindern und Schweinen, auch zwei schöne Noriker Pferde, aber leider hatten sie keine Kinder. Die Firmung war in Rainbach. Es gab hier eine große Menschenmenge, so dass wir mit knapper Not in der Kirche einen Sitzplatz bekamen. Ich glaube nicht, dass ich während der Firmung eine richtige Andacht hatte. Ich dachte auch immer wieder an die "Watsche", die man vom Bischof bekommt.

Die Dienstboten in meinem Elternhaus wollten mich wohl schrecken, als sie meinten, dass man auch nach der "Watsche" im Gesicht ganz geschwollen wird. Dem war natürlich nicht so. Die beiden Finger des Bischofs strichen ganz sanft über meine Wange, so dass ich kaum etwas spürte. Ich dachte, dass ich während der Zeremonie eigentlich beten sollte, aber mir fiel vor lauter Aufregung nichts ein. Bald war alles vorüber.

Danach gingen wir in ein Wirtshaus. Aber hier war alles voll Menschen, ein Getöse und ein Stimmengewirr, und ich hatte schon großen Hunger. Nach langer Zeit brachte ein Kellner einen Kalbsbraten, der schon fast kalt war und so zäh, dass man ihn kaum schneiden konnte. Die Patin sah mir zu. Sie stand sodann auf, nahm meinen und ihren Teller und trug das Essen hinaus in die Küche des Gasthauses. Nach einer Weile kam sie zurück und sagte zu mir: „Komm! Wir gehen!" Wir gingen hinaus auf den Marktplatz. Dort waren mehrere "Standeln" (Marktstände) nebeneinander aufgebaut und hier kaufte mir meine Patin etwas zu essen, auch Lebkuchen und türkischen Honig bekam ich. Nachher kaufte sie bei einem Stand ein hübsches Kopftuch und eine schön verzierte Torte, auch allerhand Süßigkeiten und band alles in das Tuch. Sie sagte: „Für dich!"

Nun ging es noch einmal zum Wirt. Dort stand der Knecht, der Bruder meiner Patin und wartete darauf, die Pferde einzuspannen, um mit dem Steirer-Wagerl nach Hause zu fahren. Die Patin nahm aus dem Wagerl eine große Schachtel und sagte: „Das ist auch für dich." Ich bedankte mich herzlich. Sie begleitete mich noch bis zum nächsten Wirtshaus. Dort wartete unser Knecht Poldl, der mich nach Hause kutschierte. Die Patin sagte noch: „In den Ferien kommst ein paar Tage zu uns nach Apfoltern."

Daheim packte ich alles aus. Die Mutter und die Geschwister staunten über meine Geschenke, die ich bekommen hatte. Ich verteilte die Süßigkeiten an alle im Hause. In der Schachtel befand sich eine Kassette mit einem Rosenkranz und ein Gebetbuch in weißer Hülle.

Rainbach i. M.
1927
Verfasser

Stefanie Fleischanderl (geb. 1917), ehemals Markt 92, 4263 Windhaag

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