Beschwerlicher Besuch der Hauptschule in Freistadt.
Der gebürtige Eibensteiner, Herr Alois Preinfalk, Bruder von Frau Kralik schildert seinen beschwerlichen Weg in die Hauptschule (1951 bis 1955): Bis Anfang der 1970er Jahre gab es im Pflichtschulsprengel Reichenthal (und auch in Rainbach) keine Hauptschule. Wer eine Bildung über die Volksschule hinaus anstrebte, musste in ein Internat gehen oder sich in einer sonstigen Unterkunft einmieten, was damals sehr teuer war. Einige Summerauer Schüler fuhren schon Ende der 1940er Jahre mit dem Zug nach Freistadt um dort eine Hauptschule zu besuchen. Diese Variante wurde auch von meinen Eltern für als wohl einzige Möglichkeit gesehen, mir als erstem Eibensteiner eine Hauptschulbildung zu ermöglichen. Doch von Eibenstein aus nach Freistadt zu fahren schreckte viele Erwachsene ab, und noch dazu den Weg bis Summerau in einer außergewöhnlich exponierten Lage allein zu bewältigen, lag für einen zehnjährigen, nicht gerade kräftigen Buben, schon an der Grenze der physischen Belastbarkeit. Aber ich nahm die Herausforderung mit großem Ehrgeiz an, ich musste es schaffen und besuchte so als Fahrschüler die Hauptschule Marianum in Freistadt von 1951 bis 1955.
Von Eibenstein nach Summerau waren die Straßenverhältnisse damals sehr schlecht. Fuhrwerke, Motorräder und die wenigen Autos mussten den Weg über die „Scheiben“ nehmen. Für Fußgeher und Radfahrer gab es die kürzere Möglichkeit zum Bahnhof, auf Feldwegen und Fußsteigen über den Viehtrieb (Der Weg am Waldesrand nördlich des parallel verlaufenden Froscherbaches Richtung Summerau). Im Winter schafften der Schnee und die Kälte erschwerte Bedingungen, im Sommer waren Bodennässe, das oft lange Gras auf den Wiesen oder das überhängende Kornstroh auf den Feldern unangenehme Begleiterscheinungen. Wenn auch noch widrige Witterungsverhältnisse herrschten, kam ich in feuchten bis nassen Sachen in die Schule, weil die Qualität der Bekleidung leider zu wünschen übrig ließ. Ich war das Gehen zur Schule gewöhnt, weil ich ja vier Jahre lang in Reichenthal die Volksschule besucht hatte. Aber was mir in der Hauptschulzeit abverlangt wurde, konnte ich nur mit eiserner Härte zu mir selbst schaffen. Sechs Tage in der Woche um 5:00 Uhr aufstehen und manches Mal erst um 20:30 Uhr nach Hause zu kommen war auch unter den damaligen Verhältnissen außergewöhnlich. Am Beginn des Winters im ersten Schuljahr begleitete mich mein Vater ab und zu, wenn es sehr stürmisch war, bis über den Summerauer Bach oder bis zur Viehtrieb. Meine Mutter konnte nur schwer verbergen, dass sie großes Mitleid mit mir hatte. Einige Zeit in meinem ersten Schuljahr durfte ich auch im Hause der Familie Zeindlhofer, in der Nähe des Bahnhofes Summerau, übernachten. Sobald es die Verhältnisse wieder zuließen, ging ich zu Fuß und ab der 3. Klasse fuhr ich mit dem Fahrrad. Wenn im Winter genügend Schnee lag, fuhr bzw. ging ich mit den Schiern.
Frauen, ab und zu auch Männer, die in der „dunklen“ Jahreszeit nach Freistadt wollten, nahmen oft meine Begleitung in Anspruch und meldeten sich schon am Vorabend bei mir an. Ich fand den Weg fast blind, weil mir jeder Stein oder Strauch, jeder Feldrand und alle Bodenverhältnisse geläufig waren und mir zur Orientierung dienten. Aufpassen hieß es besonders an zwei Stellen, der Hansenbauern „Schwö“ (kleiner Tümpel zum Einweichen des in früherer Zeit häufig angebauten Flachses), wo über dem Abflussrinnsal nur ein wackeliges Brett lag, und dem Summerauer Bach, über den eine schmale Steinbrücke führte. Trotz meiner guten Ortskenntnisse passierte es ab und zu, im Winter oder bei starkem Nebel, dass ich die Brücke suchen musste um nicht in den Bach zu fallen.
Am Bahnhof Summerau traf ich mit den Summerauer Schülern zusammen. Die hatten es leichter, wohnten doch die meisten in der Nähe des Bahnhofes. Vom Dorf her war es auch nicht so weit, außerdem waren die Wegverhältnisse besser. Der Zug von Summerau nach Freistadt war für uns alle (abgesehen vom Fahrrad, mit dem wir in der 4. Klasse auch ab und zu fuhren) das einzige Verkehrsmittel. Abfahrt in Summerau: 6:30 Uhr, Ankunft in Freistadt: 6:40 Uhr, das war fix. Dazu kamen die drei Kilometer vom Bahnhof Freistadt bis zur Schule, und für mich die weiteren drei Kilometer bis zum Bahnhof Summerau, zusammen ca. eine Stunde. Der Heimweg verlängerte sich zeitlich oft gewaltig durch die Wartezeit auf den Zug. Wegen der ungleich langen Unterrichtstage mussten verschiedene Züge benützt werden. ln der Regel zwischen 14:00 und 16:00 Uhr, aber besonders in den zwei höheren Klassen auch erst zwischen 19:00 und 19:30 Uhr. Um die Wartezeit zu verkürzen versuchten wir öfters, verbotenerweise, mit einem der Güterzüge mitzufahren, die zwischen den Personenzügen verkehrten. Wir legten uns auf der vom Bahnhof abgewendeten Seite des Zuges auf die Lauer, suchten einen Waggon mit Bremskabine und sprangen auf diesen auf sobald sich der Zug in Bewegung setzte. Weil dies ja nicht ungefährlich war, passten sowohl das Zug- als auch das Bahnhofpersonal auf um unser Vorhaben zu vereiteln. Wir waren Experten, was die Züge betraf. Wir kannten sämtliche Dampfloktypen schon von weitem und wussten gleich, wie schnell sie auf der Bergauffahrt nach Summerau fahren würden. Die meisten Waggons waren innen durchgehend offen, einige wiederum hatten Abteile. Aber eines hatten alle gemeinsam, die Plattformen, und die waren für uns interessant zum Herumtollen, bis uns der Schaffner wieder vertrieb. Nur mehr ganz vereinzelt waren Waggons eingeschoben, durch die man nicht innen durchgehen konnte, sondern wo außen ein Trittbrett und eine Haltestange über die ganze Länge entlang führten.
Von und zu den Zügen gab es zwischen dem Bahnhof und der Stadt keine Busverbindung. Irgendwann wäre das Postauto von Waldburg oder Hirschbach gefahren. Aber erstens, warum warten, wenn genügend Zeit war, und zweitens, die zusätzlichen Kosten! Also, wie schon gesagt, zwei mal drei Kilometer Fußmarsch. Vom Bahnhof Freistadt über die Hirschbacher Straße, den Bahnhofsteig und vorbei an der Brauerei zum Marianum. Ab und zu erbarmte sich der Bäcker Fritz Gusenbauer, der Brot in die Bahnhofreste zugestellte, und ließ großzügig einige (manchmal fünf bis sechs) Schüler in seinen PKW-Kombi einsteigen. Wir fanden auch andere Wegvarianten, z.B. vom Fuchsenbauer zum Pregartenteich, mit vielen Abenteuern. Auch Streitereien, ja selbst kleinere Raufereien gehörten fast zum Alltag. Dabei konnten wir unsere Aggressionen los werden. Wir lernten aber auch uns gegenseitig zu helfen. Wir hatten genügend Frischluft und Bewegung, Haltungsschäden waren kein Thema, wohl aber litt die körperliche Entwicklung unter den übermäßigen Strapazen. Wir trafen im Normalfall schon um 7:15 Uhr in der Schule ein und mussten die Zeit bis zum Unterrichtsbeginn irgendwie verbringen.
Verfasser
Alois Preinfalk, 4240 Freistadt
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