Ziegelwerk in Summerau

Ziegelwerk in Summerau.

In der Nachkriegszeit waren Ziegel Mangelware. Sie wurden zum Großteil dringendst für den Wiederaufbau der zerbombten Städte gebraucht. So ist in Rainbach die Idee geboren worden, eine gemeindeeigene Ziegelei zu errichten. Nutzen und Risiko wurden abgewogen, ehe in der Gemeinderatssitzung vom 4. 4. 1947 der Beschluss gefasst wurde, für das Projekt in Summerau ein Areal nördlich vom Bahnhof am Rande des Pirauwaldes anzukaufen. Das Areal umfasste 9 Parzellen, ca. drei Joch. Es wurde vom Kollergut, Franz Apfolter, um den Preis von 2500 Schilling pro Joch erworben. Das hiesige reiche Lehmvorkommen und die Möglichkeit eines späteren Gleisanschlusses ließen die Hoffnung keimen, mit dem Projekt auch in ferner Zukunft der Gemeinde einen Dienst erweisen zu können.

Zwei Namen sind mit dem Projekt aufs engste verbunden. Der eine, Karl Adam, damaliger Amtsleiter, war einer der eifrigsten Befürworter und Triebfeder der Anlage. Er hat sich so sehr engagiert, daß der Volksmund die entstehende Ziegelei alsbald als "Adamwerk" bezeichnete; teils anerkennend, teils kritisch. Es gab Leute, die dem Projekt keine Zukunftschancen einräumten und die Entwicklung argwöhnisch beobachteten.
Der andere, Alfred Böhm, auf dessen Erzählungen und Unterlagen sich mein Beitrag stützt, war von Anfang an mit dabei. Er war Heimatvertriebener und stammte aus Groß Strodau bei Kaplitz. Wurden ihm auch Heimat, Hab und Gut genommen, sein Wissen konnte ihm nicht genommen werden: sein einschlägiges Fachwissen, das er sich in der Ziegelei seiner Verwandten angeeignet hatte. In ihm hatte man die Fachkraft gefunden, derer ein solches Unternehmen bedarf. Er wurde zum Leiter des Werkes bestellt.

Am 9. 9. 1947 wurde mit dem Bau begonnen. Trotz der schwierigen Startbedingungen konnte schon im Mai 1948 der Betrieb aufgenommen werden. Beim ersten Brand vom 12. bis 18. Mai waren 24.030 Ziegel im Ofen. Das Stück kostete die Gemeinde 16 Groschen, verkauft wurde es um 35 Groschen.

Der Lehm musste mit den Füßen bearbeitet (geknetet) werden, ehe er in die Doppelformer geschlagen werden konnte. Nach zwei bis drei Tagen Lagerung im Trockenschuppen wurden die Rohziegel zur weiteren Trocknung gewendet. Erzeugt wurden die Ziegel in Normalgröße. Ein Mann vermochte pro Tag 600-1000 Ziegel zu schlagen. Stücklohn eiferte die 12-15 Beschäftigten an, eine möglichst hohe Anzahl zu schlagen. So ist ein Hilfsarbeiter auf einen Stundenlohn von S 2,57, ein Facharbeiter auf S 2,97 gekommen.

Die Ausrüstung, also Geräte und Maschinen und auch der Feld-Brandofen, war primitiv und unbefriedigend. Nach einigen Bränden wurde der Ofen eingewölbt. Im Herbst 1948 wurde eine Ziegelpresse gekauft und aufgestellt, und ein 3000 kg schwerer Dieselmotor wurde von Gutau hergefahren. Zäher Aufbauwille und mühselige Kleinarbeit aller Beteiligten ermöglichten eine Entwicklung des Werkes, die 1953 ihren Höhepunkt erreichte. 10 bis 12 Mal jährlich konnten die Öfen jeweils mit ca. 30.000 Stück Ziegel zum Brand beschickt werden. Ein Brand dauerte 60-72 Stunden und verzehrte fast 40 Kubikmeter Holz.

Die Anlage bestand 1952/53 aus einer hölzernen, 10 x 20 m großen Maschinen- und Gerätehalle einschließlich Aufenthaltsraum, errichtet im Herbst 1948, 4 Trockenschuppen, 2,20 x 20 m, 2 Trockenschuppen, 3,60 x 20 m, 1 Kohlenschuppen, 3,50 x 2,50 m; ferner aus 2 Kammeröfen, 1 Jenbacher Dieselmotor, 60-100 PS leistungsstark, 1 Ziegelpresse, gekauft und aufgestellt 1948, einem Kollergang und einem Lehmaufzug; außerdem ca. 200 lfm. Feldbahngleise, 4 Feldbahnwagen für Lehm und Ziegel, 6 Ziegelkarren, 4 Schiebetruhen, einigen Doppelformern und andere Geräten und Werkzeugen.

Der Betrieb in der Lehmgrube war strengen Vorschriften unterworfen. In der Lehmgrube, die 6-8 m tief war, wurde das Gewinnungsmaterial stets von oben nach unten terrassenförmig abgebaut, wobei die Abbauwände nicht höher als 2 Meter sein durften und einen Meter breit sein mußten. Ungünstig wirkte sich der teilweise mit kleinen Steinen und Sand durchsetzte Lehm aus. Durch ihre Ausdehnung beim Brennen der Ziegel brachten sie diese oft zum Zerspringen. Beim Abbau des Lehms ist man auf ganze Sandschichten gestoßen; auf Lehmsand, aber auch auf weißen Mehlsand. Beide wurden beim Volksschulbau verwendet.

Guter Lehm war auch im nördlich angrenzenden Areal vorhanden, aber ein Zukauf war zu riskant, zumal all die Schwierigkeiten, die der Betrieb des Werkes machte, die Frage laut werden ließ, ob man das Werk überhaupt noch lange weiterführen sollte.

Eines der größten Probleme war von Anfang bis zum Ende die Holzbeschaffung. Wenn man bedenkt, dass der Jahresbedarf bei 360- 400 Kubikmeter lag, kann man ermessen, wie unbefriedigend einige von Einheimischen gekaufte Kubikmeter waren. Da die Ziegel sehr gefragt waren, machte man auch Kompensationsgeschäfte. Verlangte jemand Ziegel, und er war Waldbesitzer, wurde ihm gesagt: "Du kannst sie haben, wenn du uns so und soviel Holz verkaufst." Die ganze Organisation machte den Verantwortlichen sehr zu schaffen, und so entledigte sich die Gemeinde dieser Belastung, indem sie das Werk an Alfred Böhm verpachtete - an den bisherigen Leiter des Werkes.

Der Pachtvertrag wurde am 28. 3. 1953 abgeschlossen. Der wagemutige Pächter, voller Hoffnung, er könne das vor 6 Jahren begonnene Unternehmen vor dem Untergang retten, sah sich bald vor schier unüberwindliche Schwierigkeiten gestellt. Je tiefer er bei der Lehmgewinnung ging, umso sandhaltiger wurde der Lehm. Andauernder Holzmangel war eine der großen Sorgen; eine andere - Maschinen sollten verbessert, erneuert werden. Organisation und kommerzielle Verwaltung - bisher von der Gemeinde durchgeführt - lasteten nun auf seinen Schultern. Die größte aller Sorgen waren die desolaten, den Anforderungen nicht mehr entsprechenden Brandöfen. Nur ein sie ersetzender Tunnelofen hätte gewährleistet, die Ziegelei rentabel weiterzuführen. Kostenpunkt: 1,000.000,- Schilling. Eine Investition in dieser Größenordnung war eine Hürde, die nicht genommen werden konnte, eine Hürde, alle Hoffnung zerstörend.

So kündigte Böhm den Pachtvertrag und stellte im Herbst 1953 die Produktion ein. Die Gemeindeväter beschlossen, das Werk nicht weiter zu betreiben. Die Anlage wurde einige Jahre später abgetragen, die Ziegel der Brandöfen beim Bau eines Einfamilienhauses verwendet und das Fundament eingeebnet. Heute kündet von der Ziegelei nur mehr ein Wassertümpel, in dem sich Sicker- und Regenwasser sammelt. Dieser Tümpel diente der Ziegelei zur Wasserentnahme und heute den Eisstockschützen im Winter als Eisbahn.

Aus dem Buch "Von der Dorfmauer bis zur Fensterlucka", in dem man viele weitere interessante Erzählungen über das Leben damals in unserer Gemeinde findet.
Hier findet man eine Auflistung der Beiträge dieses Buches. >

Summerau
1950-1959
Fotos
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Mit kleinen Wagen wurde der Lehm von der Grube (links) zur Weiterverarbeitung ins "Werk" transportiert - Bildleihgeber: Pötscher Leopold (Gottfried) - Birkengasse 5, 4261 Rainbach i. M.
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Hier sind die Trockenschuppen zu sehen, in welche die Ziegel zuerst kamen und nach zwei bis drei Tagen Lagerung zur weiteren Trocknung gewendet wurden. - Bildquelle: Pfarrarchiv Rainbach i. M.
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links und Bildmitte: Trockenschuppen und aufgestapelte Ziegel, rechts wurden die Ziegel gebrannt - Bildquelle: unbekannt
Verfasser

Ignaz Kralik, seinerzeit Summerau Mitte 42, 4261 Rainbach i. M.

Info

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