Wie ich als Kind das Christkind sah und Weihnachten erlebte

Wie ich als Kind das Christkind sah und Weihnachten erlebte.

Ich war drei und ein viertel Jahre alt, als ich zu Weihnachten das Christkind das erste Mal bewusst sah. Am Heiligen Abend, ich war in unserem Schlafzimmer, als ich ein Glöckchen hörte. Meine Schwester rief mich, ich ging den Gang entlang und so stand ich im Vorhaus. Gleichzeitig ging die Haustür auf und ein wunderschönes Christkind stand vor mir mit einem weißen Kleid mit langem lockigem Haar. In den Händen hatte es einen Puppenwagen aus Holz, den es in die Stube trug. Der Christbaum stand schon auf einem kleinen Tisch und die Kerzen brannten. Das Christkind verschwand wieder sehr schnell und es sprach kein einziges Wort. Aber es war wunderschön. Als gut siebenjähriges Mädchen sah ich noch einmal das Christkind; zwar nicht am Heiligen Abend, sondern schon ein paar Tage vorher. Es war hinter unserem Haus, da fließt das Grottenthaler Bacherl und dahinter liegt eine ansteigende Wiese. Genau dort sah ich das Christkind mit goldenem Haar und in einem weißen langen Kleid. Ich habe diese Bilder heute noch immer vor meinen Augen und ich konnte es einfach nicht glauben, als ich als Teenager erfuhr, wer das Christkind war. Das erste Mal war es die Schwester unseres Nachbarn und das zweite Mal die Frau meines Bruders, also meine Schwägerin. Ich habe darüber mit ihr gesprochen und sie hat mir erklärt, sie hätte nur ein Leintuch über ihrer Kleidung getragen. Ich habe sie sogar mit goldenem Haar gesehen. Aber hier sieht man, was man als Kind für ein großes Vorstellungsvermögen hat. Ich habe bis zu meinem zwölften Lebensjahr noch ans Christkind geglaubt. Heute nimmt man den Kindern den Glauben an das Christkind schon im Kindergarten und in der Schule.

Wie erlebte ich den Tag des 24. Dezember? Der Vormittag war für mich wie jeder andere Tag. Jedoch der Nachmittag begann mit einer Betstunde in der Kirche, wohin mich auch Vater begleitete. Nachher ging es zu einer Bekannten meiner Familie in Rainbach. Am späten Nachmittag kehrten wir dann nach Hause zurück. Ich wurde jedoch zum Nachbarn abgeschoben, wo ich natürlich immer sehr gern war. Da gab es ein kleines Austragsstübchen von den alten Nachbarsleuten, welche auch meine Taufpaten waren. Dort war am 24. in einem alten Bummerlofen immer gut eingeheizt. Dabei spielte ich mit den Nachbarskindern und mit dem Göd Fuchs und Henne. Um zirka halb sieben Uhr abends bimmelte ein Glöckchen und wir Kinder gingen in die Stube. Ich konnte nur nicht verstehen, wieso das Christkind vom Nachbarn bis zu uns oft über eine dreiviertel Stunde brauchte. Nein, das konnte ich nicht. Aber einmal hab ich schon geglaubt, heuer hat mich das Christkind vergessen. Unsere Nachbarn sind schon beim Essen gesessen und ich wartete noch immer auf das Christkind. Dann kam der erlösende Moment, Vater kam und eröffnete mir, er hätte jetzt gerade das Christkind gesehen. Das lange Warten war vergessen. Viel später, als ich nicht mehr ans Christkind glaubte, erzählte mir meine Mutter, warum ich dieses eine Mal gar so lange warten musste: Sie hat Orangen für mich gekauft, die sie versteckt hatte; leider so gut, dass sie diese beinahe nicht mehr gefunden hätte. Heute braucht man keine Orangen mehr verstecken, man kann sie das ganze Jahr über in den Geschäften kaufen. Aber damals war es wirklich ein Weihnachtsgeschenk. Nach den Gaben kam dann das leibliche Wohl zum Zug. Es gab dann einen Weihnachtsaufschnitt zu essen. Er wurde bei der Firma Haider gekauft und da waren ein paar Scheiben mit Muster wie Stern, Glocken usw. dabei. Auf jedem Teller befanden sich einige solche Wurstscheiben. Darüber mit einem kleinen Hobel gerieben ein Essiggurkerl und einige Zwiebelscheiben, darüber verdünnter Essig mit Öl, dazu eine Semmel. Mag meine Familie heute was anderes zum Essen nach der Weihnachtsbescherung bevorzugen, ich für mich ganz alleine habe diesen Brauch mit dem Weihnachtsaufschnitt bis zum heutigen Tag beibehalten, so wie ich das zu Hause hatte.

Rainbach i. M.
1955
Verfasser

Notburga Panholzer, geb. Ruckendorfer (geb.1949), 4240 Freistadt

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