Herbergsuche in Kerschbaum.
Wenn in meiner Kindheit Mitte November die Nächte schon lang wurden, erzählten unsere Eltern uns Kindern beim warmen eisernen Ofen so manche Märchen und Geschichten und wir konnten es kaum erwarten, dass das Christkind kam. Ab dem 14. Dezember war das Hoffen schier unerträglich, denn da begann das „Herbergsuchen“. Das Herbergsuchen soll die Suche nach einer Unterkunft von Josef und Maria in Jerusalem darstellen, wobei sie dann in Bethlehem landeten, und dann in einem Stall Jesus geboren wurde. Im Jahre 1916 als der erste Weltkrieg in Europa wütete und fast alle Väter und Söhne an den Fronten um ihr Leben bangten, gelobten die Frauen und Mütter des Unterortes Kerschbaum, den uralten Brauch des Herbergsuchens wiederzubeleben, wenn ihre Männer und Söhne heil aus dem Krieg zurückkehren würden.
Neun Frauen begannen damit, ein passendes Bild zu suchen, was ja in dieser Notzeit nicht einfach war. Man einigte sich auf ein Bild, das aus einem alten Kalender stammte und die Heilige Familie bei der Herbergsuche darstellte. Das Bild und eine Holzlaterne stellte meine Großmutter Leitner Klara zur Verfügung. Das Herbergbild, wie wir es nennen, ist seit 87 Jahren dasselbe und wurde von dem damaligen Pfarrer von Rainbach Ennsgraber gesegnet. Jene Hausbesitzerin, bei der die „Herberge“ über das ganze Jahr blieb, ersucht einige Tage vor dem 14. Dezember ihre Nachbarinnen wiederum bei der „Herbergsuche“ mitzumachen, was ja gerne befolgt wird. Da neun Mitglieder sind, bleibt die „Herberge“ gegen den Uhrzeigersinn jedes Jahr in einem anderen Haus.
Bei der ersten Zusammenkunft wird das Lied „Der Engel des Herrn“ gesungen, dann ein Gebet gesprochen und noch ein Adventlied gesungen, nachher wird mit dem Rosenkranz begonnen, wobei die Hausbesitzerin das Bild von seinem Platz nimmt und sich mit den anderen Frauen auf „Herbergsuche“ in das nächste Haus begibt, wo sie der Hausbesitzerin das Bild übergibt, wobei ein Grußgebet gesprochen wird, es wird auch noch ein Adventlied gesungen, dann geht man nach Hause.
Eigentümlicherweise gehen bei uns nur Frauen und Kinder auf Herbergsuche, was anderswo nicht der Fall ist. Da gehen auch die Männer mit.
Wenn dann das „Herbergbeten“ am 23 Dezember aus war, sahen wir Kinder in seliger Erwartung dem Kommen des Christkindes entgegen.