Gefährliches Spiel mit Kriegsrelikten

Gefährliches Spiel mit Kriegsrelikten.

Die Kinder damals im Jahr 1947 spielten viel im Freien. Sie waren noch nicht so behütet wie heute. Sie konnten ihrem Entdeckungsdrang nachgehen. So spielten an einem schönen Maitag mein sechsjähriger Bruder, der Oskar, dann der Traxler Oskar, sein um 2 Jahre jüngerer Kusin, das Nachbarmädchen Martha Wagner und der Stöglehner Peppi auf der Wiese westlich von unserem Haus. Gegen Abend am 14. Mai um ca. sechs, halb sieben Uhr fand mein Bruder in einem verdreckten Graben, welcher der Abfluss vom Schlachthaus war, der hinter dem Weißenböck-Haus in Richtung Bauernhof Stöglehner verlief, eine Stielhandgranate. Mein Bruder, ein neugieriger Typ, sagte: "Ossi, komm her da!" Sie hatten keine Ahnung, wie gefährlich ihr Spiel war. Jetzt hantierte mein Bruder unbekümmert herum, so wie die Kinder sind. Mein Bruder hockte dabei am Boden. Der Traxler Oskar stand daneben, die Hand in der Tasche und schaute zu. Auf einmal hat mein Bruder beim Ring, der hinten an der Stielhandgranate war, angezogen. Es gab plötzlich eine Explosion.

Die Ladung der Granate ist in die Brust von meinem Bruder eingedrungen. Das Gesicht war auch verletzt. Er war sofort tot. Den Oskar hats im Unterleib erwischt, weil er gestanden ist. Er ist davongerannt. In der ganzen Umgebung hat man den Kracher gehört. Die Leute sind zusammengelaufen und haben geschaut, was da los ist. Mein Vater, der im Haus war, ist auf die Wiese hinaus und der Traxler Oskar ist ihm entgegengekommen. Er hat gesagt: "Ich wars nicht. Der Oskar wars!" Mein Bruder war damit gemeint. Er ist weiter gelaufen. Er ist aber dann auch irgendwo zusammengebrochen und liegen geblieben. Mein Vater ist weiter zu meinem blutüberströmten Bruder und hat ihn in den weißen Schurz, den er als Fleischhauer meist umhatte, eingewickelt und hat ihn ins Haus getragen. Eine Tragik, das ganze, war doch mein Bruder als zukünftiger Fleischhauer vorgesehen. Die Wagner Martha. die etwa in 10 oder 15 Meter Entfernung Blumen pflückte, traf auch unglücklicher Weise ein Splitter im Auge. Die musste lange Zeit behandelt werden. Ich weiß nicht genau, ob sie nicht sogar blind auf diesem Auge wurde. Der Stöglehner Peppi war noch weiter weg, dem ist nichts passiert. Er kam nur mit dem Schrecken davon. Der Traxler Oskar wurde nach Freistadt in die Krankenstation gebracht, die damals im Marianum war. Der wurde noch operiert. Er verstarb jedoch auch in der späten Nacht.

(Sinngemäßer Bericht nach einem nicht wortwörtlich wiedergegebenen Gespräch mit Fritz Haider, dem Bruder des verunglückten Oskar Haider)

Rainbach i. M.
1947
Verfasser

Helmut Knogler (geb. 1949),
Labacher Straße 9,
4261 Rainbach i.M.

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