Flachsanbau in Kerschbaum

Flachsanbau in Kerschbaum.

Flachsanbau der Bauern in Kerschbaum

Flachsanbau der Bauern wurde in unserer Region, auch in Kerschbaum bis ungefähr 1952 betrieben. Der Flachs wurde Ende April, Anfang Mai angebaut. Wenn er ein paar Zentimeter hoch war, wurde er gejätet, das heißt, es wurde das Unkraut ausgezogen. Dies wurde meist in der Zeit nach dem ersten Heuen gemacht. Diese mühsame Arbeit war ausschließlich Frauensache. Sie knieten dabei wochenlang in den Feldern und wenn sie fertig waren und es viel regnete, durften sie von Neuem beginnen.
Der Flachs wurde 50 bis 80 cm hoch, je nachdem der Ackerboden und die Witterung war. Oben war er buschig und blühte hellblau. Der Flachs wurde zirka Ende August, wenn die „Boln“ braun waren, reif.
Anfang September wurde dann der Haar (Flachs) gerafft (mit der Hand samt Wurzel ausgezogen), denn beim Mähen wäre die wertvolle Faser kürzer gewesen. Dies erforderte viel Kraft und war deshalb vielfach Männerarbeit. Bei der Flachsernte halfen mehrere Nachbarn zusammen. Der Flachs wurde gebündelt und zu Männchen zusammengestellt. Nach einer Woche, wenn Schönwetter war, wurde er nach Hause gebracht.
Daheim wurde er meistens auf der Tenne über einen Riffelbaum (da waren in Abständen eiserne Kämme angebracht) durchgezogen, damit die „Boln“ (=Leinsamen) vom Flachs getrennt wurden.
Die Leinsamen (Fruchtkügelchen) wurden meist auf dem Dachboden getrockent. Wenn sie gut trocken waren, wurden sie auf der Tenne entweder mit der Drischel oder mit einer Steftenmaschine gedroschen. Von Leinsamen wurde öfter Leinöl gemacht.

Der Flachs wurde dann entweder gleich auf einer Wiese ausgelegt oder zuerst Bündelweise 3-4 Wochen in einen kleinen Tümpel „Hoarois“ gegeben.
Hier wurde er einige Tage im Wasser gelassen. Das stank dann ganz fürchterlich. Anschließend wurde er auf die Wiese gelegt und getrocknet. Dadurch wurde die Strohhülle des Flachses morsch.
Nach längerer Zeit, je nach Witterung, wenn der „Hoa“ (=Flachs) dürr (=gut getrocknet) war, wurde er wieder in Bündel heim gebracht und gebrechelt.
Die morsche Strohhülle wurde mit einer Vorrichtung zerquetscht oder er wurde mit zwei Eisenrollen, die auf einem Gestell montiert waren, gerollt. Nachher wurde er wieder durch Eisenkämme gezogen, damit das gebrochene Stroh von der Faser fiel.

Dann wurde der Flachs „geflacht“. Er wurde auf einem Gerät bearbeitet, das aussah wie ein großes Spinnrad, nur dass am Rad außen wie bei einem Flugzeugpropeller Holztaufeln montiert waren, die auf die Flachsfaser so lange schlugen, bis der letzte Strohteil von der Faser entfernt war.

Der Flachs wurde nochmals durch eine kleine „Riffel“ gezogen. Dadurch wurde der saubere Flachs vom weniger wertvollen, den man Wehr nannte, getrennt. Der „Wehr“ wurde von den Bauern gesponnen und zum Stricke machen verwendet.

Der saubere Flachs wurden dann zu sogenannten „Hoarriedeln“ zusammen geflochten. Später wurden sie dann mit dem Spinnrad zu Garn gesponnen und zu Leinen gewebt. Aus dem feinen Leinen wurden Bekleidung und Bettwäsche erzeugt. Aus dem groben Garn wurden Leintücher für Mägde und Knechte gewebt, auch für Säcke wurde das grobe Leinen gebraucht. Die Leintücher wurden einfach über das Stroh gelegt, und darauf schliefen Mägde und Knechte.

Später als das Leinen als Gebrauchsstoff an Bedeutung verlor, verkauften die Bauern den Flachs an die Firma Haberkorn und an die Firma Resch in Freistadt. Um das Jahr 1952 hörte sich bei den Bauern der Flachsanbau wegen schlechter Preise und Arbeitskräftemangel auf. Es gab jedoch weiterhin in Kerschbaum Versuchsfelder mit Flachs, die vom Österr. Faserforschungsinstitut betreut wurden.

Verfasser: Karl Leitner, Kerschbaum 1, 4261 Rainbach i. M.
Eingefügter Text in Schrägschrift niedergeschrieben von Maria Reisinger, ehemals Summerauer Straße 32, 4261 Rainbach i. M .

Leinzucht- und Versuchsstation des Österr. Faserforschungsinstitutes in Kerschbaum

Der ehemalige Pferdeeisenbahnhof Kerschbaum, Haus Nr. 61, war 1950 im Besitze der Fa. A. Haberkorn, Freistadt. Diese führte damals dort die Verarbeitung des seit dem 2. Weltkrieg im Mühlviertel vielfach angebauten Flachses (Faserleines) auf einfachen Schwungständern durch. 1950 oder 1951 wurde das Gebäude renoviert: Dach, Außenfassade, innen hauptsächlich die Räume im 1. Stock des Hauptgebäudes. Beim Dach war nur die Abdeckung saniert worden. Der Dachstuhl, aus dem während des letzten Krieges viel Holz als Brennholz entnommen worden war, wurde nicht repariert.

1951 wurde das ganze Gebäude dem Österreichischen Faserforschungsinstitut vermietet, dessen Leiter Prof. Dr. Grünsteidl, Ordinarius für Warenkunde an der damaligen Hochschule für Welthandel, jetzt Wirtschaftsuniversität, mich beauftragte, hier eine Zucht- und Versuchstation für Lein zu etablieren und zu führen. Die Flachsverarbeitung der Fa. Haberkorn wurde bald danach nach Freistadt auf den Friedhofberg verlegt und modern neu aufgebaut.

Die Wahl fiel auf Kerschbaum, weil dieser Ort in einem der größten und ältesten Leinanbaugebieten Österreichs lag und weil die verhältnismäßig harten Klimabedingungen dieses Gebietes eine Übertragung der Versuchsergebnisse auf andere klimatisch günstigere Gebiete eher möglich machten als in einem umgekehrten Falle.

Unsere Arbeiten, für die ein ständiger Assistent, Herr J. Windhager, Kerschbaum, und saisonale Arbeitskräfte, meist Frauen, zur Verfügung standen, bestanden in der Anlage und Betreuung von Feldversuchen auf umliegenden Pachtfelderng die Züchtung neuer, für unsere Anbaugebiete geeigneter Sorten, die Verarbeitung der Beobachtungsdaten sowie des Erntemateriales in Kerschbaum und Wien. Die Arbeitsergebnisse waren 2 in das Österr. Zuchtbuch eingetragene Faserleinsorten „Kerschbaum Weiß“ und „Kerschbaum Blau“ sowie viele neue Erkenntnisse für Botanik und die Kultur des Flachses.

Die Arbeiten und ihre Ergebnisse fanden z. Teil im Ausland mehr Beachtung als im eigenen Lande. Schuld daran waren der wieder eintretende Normalisierungsvorgang der Textilbranche von der Kriegs- auf die Friedenswirtschaft: die billigere Baumwolle kam wieder aus Übersee, neue billigere Kunstfasern wurden erzeugt, sodass sich das Interesse am relativ teueren Flachs aus dem eigenen Lande immer mehr verminderte. Die Finanzierung der Station war zum weit überwiegenden Teile von der Textilwirtschaft, zum geringen von der Landwirtschaftskammer erfolgt, die Gelder begannen immer spärlicher zu fließen. Ich selber hatte mich hauptberuflich schon 1955 verändert, führte aber die Station par distance noch bis 1963 weiter, in welchem Jahre die letzten Anbauten durchgeführt wurden. Die Programme wurden ab jetzt in sehr reduziertem Maße in Grabenegg und Wieselburg durchgeführt.

Ausschnitt aus einem Brief an den Obmann des Vereines "Freunde der Pferdeeisenbahn" Walter Mayr im Jahr 1998 von Oberstudienrat Dipl.-Ing. Dr. Ferdinand Hartmann, 3250 Wieselburg, Weinzierl

Kerschbaum
1940-1949
Fotos
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Versuchsfeld in Kerschbaum - Flachsanbau 1951 - Fotoleihgeber: Oberstudienrat Dipl.-Ing. Dr. Ferdinand Hartmann, 3250 Wieselburg
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Kerschbaumer Frauen arbeiteten auf den Versuchsfeldern, hier von links: Frau Kadlec und Frau Kotek - Bildleihgeber: Oberstudienrat Dipl.-Ing. Dr. Ferdinand Hartmann, 3250 Wieselburg
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Aufbewahrung der Flachsproben für wissenschaftliche Untersuchungen in den Räumen des Pferdebahnhofes Kerschbaum - Fotoleihgeber: Oberstudienrat Dipl.-Ing. Dr. Ferdinand Hartmann, 3250 Wieselburg
Verfasser

Autoren beim Beitrag angeführt.
Zusammengestellt von Helmut Knogler, Labacher Straße 9, 4261 Rainbach i. M.

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