Der Küchenherd, immer wieder Ursache für Brände.
Es war der 2. April 1953 und es war der Gründonnerstag. Ich besuchte in Zulissen die erste Klasse Volksschule, hatte aber schulfrei, weil ja Osterferien waren. Meine Schwester Katharina war um 1½ Jahre jünger, sie ging noch nicht zur Schule. Mutter war zum dritten Kind schwanger und litt unter fürchterlichen Zahnschmerzen, weshalb sie gezwungen war, einen Arzt aufzusuchen. Da Vater in der Arbeit war, musste Mutter notgedrungen mich und meine Schwester für wenige Stunden alleine lassen. Es war ein für die Jahreszeit ungewöhnlich bitter kalter Tag, so dass uns Mutter noch den Ofen (es war ein so genannter Sparherd) anheizte und mir als Älterem auftrug, rechtzeitig Holz nach zu legen, damit das Feuer nicht ausginge. Die Mutter sperrte die Wohnung von außen zu und eilte fort.
Die Wohnung befand sich in einem Seitentrakt eines Bauernhofes am Rande des Dorfes Zulissen. Alsbald waren meine Schwester und ich beim Spiel so sehr vertieft, dass ich nicht mehr ans Feuer im Ofen dachte. Als ich mich wieder an den Auftrag von Mutter erinnerte, war es schon zu spät. Ein Blick zum Ofentürl hinein zeigte mir, dass nur noch ein Glutrest vorhanden war. Ich versuchte es noch mit einem Scheit Holz, aber die wenige Glut vermochte das Holzstück nicht mehr zu entzünden. Ich hörte schon im Voraus die Schelte der Mutter und dachte nach, wie man das abwenden könnte. Da hatte ich eine fatale Idee. Vater hatte früher als Schuhmacher gearbeitet und übte die Schusterei nebenbei noch manchmal aus. Er hatte daher auch noch so manche Fläschchen mit Lösungsmitteln in seiner Arbeitsecke stehen. Sie waren wie fast alle Lösungsmittel höchst feuergefährlich. Ich holte mir so ein Fläschchen (es war Aceton, wie ich viel später erfuhr) und wollte damit dem Anbrennen des Holzscheits ein wenig nachhelfen. Dazu kam es aber nicht mehr. Denn sofort, als ich das Fläschchen in der Nähe der offenen Ofentür öffnete, fing es durch die Dämpfe schon Feuer. Ob es explodierte oder ich es so fallen ließ, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls war um den Ofen herum alles voll Feuer. Der erste Gedanke war natürlich: Löschen. Ich griff mir den vollen Wassereimer, der im Vorhaus stand und wollte löschen. Gott sei Dank merkte ich aber sofort, dass ich da mit Wasser nichts ausrichte und das Feuer sich noch mehr ausbreiten würde. Da fielen mir die Worte von Vater ein, dass er einmal davon gesprochen hatte, einen solchen Brand niemals mit Wasser zu löschen, sondern ihn mit festen Materalien zu bekämpfen bzw. zu ersticken: Sand zum Beispiel, aber den gab es verständlicherweise nicht in der Wohnung. Da hatte ich den rettenden Einfall (oder war es eine Eingebung?): Asche. Die Aschenlade war zum Glück voll und ich leerte die Asche auf die gefährlich züngelnden Flammen. Dabei musste ich mit der Asche schon sparsam umgehen, denn sogar auf dem Diwan waren schon ein paar Flämmchen zu bekämpfen.
Dass ich den entstehenden Brand noch löschen konnte und bei dem ganzen Malheur nicht selbst Feuer gefangen habe, grenzt schon an ein Wunder. Ich denke aber, dass die Kleidung von damals nicht so leicht entzündlich war wie die von heute. Was ich durch meine kindliche Unvernunft angestellt hatte, konnte ich die Folgen Gott sei Dank noch abwenden. Meine Schwester und ich hätten keine Chance gehabt, dem Feuer zu entkommen. Die Fenster waren klein und noch dazu mit eisernen Fensterkreuzen versehen.
Als Mutter dann nach Hause kam, fiel sie beim Anblick der Verwüstung fast in Ohnmacht. Es machte sich aber nach dem ersten Schrecken dann Erleichterung breit, dass uns Kindern nichts geschehen ist. Zu aller Aufregung klopfte es dann noch an der Haustür. Es war der Briefträger; er wollte hereinkommen und Mutter hatte alle Mühe, ihn mit Ausflüchten daran zu hindern. Was unser Vater dazu sagte und wie er auf den Bericht der Mutter reagiert hat, weiß ich nicht mehr. Sicher wird er sehr erschrocken gewesen sein und künftig die so feuergefährlichen Substanzen woanders aufbewahrt haben.
Ich habe diese Begebenheit, die sich vor genau sechzig Jahren ereignete, nieder geschrieben in Erinnerung an meine Kindheit in Zulissen. In Anbetracht dessen, was man aus den Zeitungen und anderen Medien schon so vieles über tragische Ereignisse von Bränden, wo Kinder beteiligt waren erfahren hat, hatten meine Schwester und ich nicht einen, sondern gleich eine ganze Heerschar von Schutzengeln. Und was für fürchterliches Leid wäre über unsere Eltern hereingebrochen! Obendrein ist ein paar Wochen vorher der Vater unserer Mutter, also unser Großvater, gestorben. Vielleicht war er unser Beschützer, dass uns nichts geschehen ist.
Verfasser
Alfred Payer (geb.1946),
4262 Leopoldschlag, Brunnfeld 1
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