Das Jahr 1945 in Kerschbaum

Das Jahr 1945 in Kerschbaum.

Ich erinnere mich, dass zu der Zeit, als wir im Jahr 1945 Erdäpfel setzten, eine Gruppe ganz junger deutscher Soldaten in Kerschbaum einquartiert war und hier ausgebildet wurde.

Dann zogen Soldaten der Wlassow-Armee durch Kerschbaum und plünderten alles, was zum Essen geeignet war. Man hatte schon Angst, weil sie in der Nacht auch in die Häuser kamen. Sie zogen aber bald wieder mit Pferden und Wägen weiter.

Es war noch Krieg, als die Amerikaner auf der Landstraße nach Kerschbaum mit Panzer angefahren kamen. Es hieß, die Bevölkerung von Kerschbaum solle weiße Fahnen aufhängen. Wir hatten keine Fahnen, darum nahmen wir weiße Leintücher. Wir Kinder wollten genau sehen, was da los war, und rannten in Richtung Landstraße. Als sie mit den Panzern zum Dorf kamen, feuerten die Amerikaner einen kräftigen Schuss ab in Richtung Dorf. Ein Bub vom Bauern Jobst rannte gerade auf der Dorfstraße. Der Schuss traf ihn zufällig und er starb. Dann hatten wir natürlich große Angst. Sie besetzten die Häuser und beanspruchten unsere Küche für sich, aber wir durften im Haus bleiben. Die Amerikaner gingen am Abend bei unserem Zimmer nur vorbei, aber taten uns nichts.

Die Russen besetzten von Osten her unsere Gegend bis zur Landstraße. Aber bald hieß es, dass sie noch bis zur Bundesbahn weiter ziehen werden. Die Amerikaner zogen weg und in der Nacht kamen auch schon die Russen. Bei uns schliefen in dieser Nacht Mädchen aus dem schon besetzten russischen Teil von Kerschbaum. Die russischen Soldaten stießen Haustüren mit Gewehrkolben ein. Viele Kerschbaumer Mädchen konnten Gott sei Dank fliehen. Wir flüchteten in dieser Nacht in die Kornfelder. Meine Mutter und die Tante blieben alleine zurück. Wir hatten große Angst um sie. Wenn wir im Kornfeld etwas rascheln hörten, fürchteten wir uns sehr. In der Früh schlichen wir nach Hause in den Stall, um der beim Füttern zu helfen. Wir freuten uns, als wir sahen, dass die Mutter und die Tante noch lebten. Sie erzählten, dass sie den Soldaten alle Flaschen mit Schnaps, die im Haus waren, gaben.

Von Rainbach bis Hörschlag hatte das deutsche Militär alles liegen und stehen lassen. Viele Soldaten baten die Bauern um Kleidung, damit sie, wenn sie flüchteten, nicht als Soldaten erkannt wurden. Sie wollten über die Donau, denn sie fürchteten, dass sie sonst in die russische Gefangenschaft kämen.

Bei den zwischen Rainbach und Hörschlag von den Deutschen zurückgelassenen Sachen war neben Fahrzeugen und Kriegsgerät alles Mögliche: Mechaniker-, Schuster- und Schneiderwerkzeug, Küchenausrüstung und viele Nahrungsmittel: Zucker, Mehl, und haufenweise herumliegende Konserven. Wer sich hintraute, der konnte wertvolle Sachen heimtragen.

Im HeiligenBerg-Wald lagerten Flüchtlinge verzweifelt mit ihrem letzten Hab und Gut. Dort war auch ein geflüchteter Bauer mit zwei Pferden und auf dem Wagen ein lebendes Schwein. Dem nahmen die Russen alles weg. Er weinte bitterlich. Kleine Kinder waren da. Ich brachte ein paar Tage lang in der Früh Milch für die Kinder hin, obwohl ich immer dabei Angst hatte.

Auf der Landstraße wurden auch einmal Gefangene vorbeigetrieben.

Ausschnitte aus Aufzeichnungen von Maria Wagner, die als Kind in Kerschbaum lebte.

Kerschbaum
1945
Fotos
ke-soldaten1945.jpg
Kerschbaumer Mädchen ließen sich mit den jungen Soldaten fotografieren - Bildleihgebering: Maria Wagner, ehemals U-Paßberg 9, 4261 Rainbach i. M.
Verfasser

Leicht sprachlich veränderte Niederschrift von Maria Wagner, Unterpaßberg 2 (aufgewachsen als Kind in Kerschbaum 16 - "Sollbauer")

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