Backhäusl.
Backöfen waren in den Bauernhäusern integriert, zumeist in der "Schwarzen Kuchl". War im Haus kein oder kein geeigneter Platz, baute man im Freien sogenannte Backhäusl. Sie hatten gegenüber den Backöfen im Haus den Nachteil, dass man der Witterung ausgesetzt war. Besonders die Kälte tat den ungebackenen Brotlaiben nicht gut. Das Backhäusl unseres Nachbarn, eines 3 Rinderhäuslers, konnten wir, sooft wir vor unsere Haustür getreten waren, sehen.
Da wir eine Großfamilie waren, hegten meine Eltern lange Zeit den Wunsch, Brot selbst backen zu können. Im Jahr 1937 beauftragten sie einen Ofensetzer uns ein Backhäusl zu errichten. Wir Kinder konnten den Werdegang von Anfang bis Ende mitverfolgen und geringe Handlangerdienste leisten.
Zuerst wurde ein rechteckiger 60 cm hoher Sockel gemauert und an beiden Längsseiten ein 70?80 cm lange Mauer für den Windfang angesetzt. Der Sockel wurde dann mit wärmespeicherndem Material wie Glasscherben und Tonscherben beschüttet. Die Beschaffung dieser Scherben war unser, der Kinder Aufgabe. Alle Scherbenhaufen der Umgebung suchten wir auf und schleppten herbei was wir fanden. Die Scherbenbeschüttung wurde mit einer dicken Schicht Lehm oder Schamott belegt. In dieser Schicht bettete der Ofensetzer Ziegelsteine ein und verfugte sie. Die so gebildete Heiz? und Backfläche wurde in etwa 50 cm überwölbt. Heiz? und Backraum waren fertig. Für den Rauchabzug gab es entweder einen kleinen Rauchfang oder wie bei unserem Backhäusl, ein im Gewölbe der ganzen Länge nach und leicht steigend einen "Schlauch" der an der vorderen Giebelwand unter dem Vordach ins Freie mündete. Schließlich wurden Seiten und Giebelwände hochgemauert und dem „Bauwerk" ein Giebeldach aufgesetzt.
Während der Zeit des Trocknens des fertigen Backhäusls beschafften meine Eltern das nötige Zubehör: Krücke, Reisigwisch, Brotschüssel, Backtrog, ein Dutzend Brotkarl (aus Stroh geflochtene Schüsseln) und Backscheiter.
Der erste Tag des Brotbackens war spannungsgeladen. Meine Mutter hatte seit acht Jahren nicht mehr Brot gebacken. Sie musste sich die in ihrem Elternhaus erworbenen Erfahrungen in Erinnerung rufen. Zudem kannte sie den Ofen, das Backhäusl nicht. Wir Kinder wussten bis zu diesem Tag nicht wie Brot gemacht wird. Auch nicht wie viel der Mühe und Erfahrung das Brotbacken bedarf. Daher schenkten wir der ganzen Prozedur unsere ganze Aufmerksamkeit.
Als eines Tages Mutter "Urei"(Sauerteig) im Trog ansetzte, war das ein Zeichen, dass am nächsten Tag Brot gebacken werde. In aller Frühe setzte sie dem mit Mehl angereicherten Sauerteig neben Salz und Gewürze soviel Mehl und Wasser zu, als für eine bestimmte Menge Brot und für die richtige Konsistenz des Teiges nötig war oder ist. Dann mischte sie die Masse mit den Fäusten zu einem Teig und ließ ihn einige Stunden rasten. Nun wurde Klumpen für Klumpen der aufgegangen Backmasse entnommen und auf einem Brett geknetet, zu Laiben geformt und in die mit Mehl bestreuten Brotkarl gedrückt. Schließlich wurde der Ofen mit "Backscheitern" (das sind extra klein gespaltene, lange uns sehr trockene Hölzer) beschickt und angeheizt. Während des Heizens konnten die Laibe wieder aufgehen (aufquellen).
Waren die Hölzer im Ofen niedergebrannt, schabte Mutter mittels Krücke die verkohlten Reste (Backkohle) aus dem Backraum, reinigte diesen noch zusätzlich mit dem Reisigwisch und verschloss die Mündung des Rauchabzugschlauches mit einem Ziegelstein, so dass keine Hitze verloren ging.
Wir Kinder holten, die gefüllten Brotkarln von der Küche und trugen sie zum Backhäusl. Mutter? nahm sie in Empfang, stürzte die Laibe auf die langbestielte Brotschüssel womit sie diese in den Backraum einschoss. War der letzte Laib drinnen, wurde der Ofen verschlossen.
Die meiste Arbeit war getan. Nun musste sich das Backhäusl bewähren. Es bedurfte vieler Erfahrung um zu wissen nach welcher Zeit das Brot durchgebacken war. Etwa nach 1?2 Stunden wurde der Backraum geöffnet. Der angenehme Duft frischgebackenen Brotes stieg allen in die Nase. Laib für Laib holte Mutter mittels Brotschüssel heraus und legte sie in die Karl. Wir trugen sie in den Vorratsraum, reihten sie in die Brotleiter, ein liegendes Sprossengestell. Zum Ärger der Eltern konnten wir Kinder der Versuchung nicht widerstehen, schon beim Hineintragen heimlich vom Anschuss, das sind die Berührungsflächen der im Ofen aneinanderliegenden Laibe, ein Stück abzuzwicken und zu genießen. Die Eltern ärgerten sich auch später immer wieder zu Recht, denn so ein angezwickter Laib sah aus als wären Mäuse drangewesen. Der Ärger vermochte aber Freude und Glück aller, besonders der Mutter nicht zu schmälern. Als der erste Laib angeschnitten und verkostet war, wussten alle: "Brotbacken gelungen, dank Mutters Können!"
Zwei bis drei Wochen stand das Backhäusl wieder leer. Das letzte Brot der ersten Serie wurde inzwischen hart.
Wie heißt es aber? "Hartes Brot ist hart, noch härter ist kein Brot zu haben." Um das zu vermeiden, mischte Mutter in den letzten Kriegsjahren und in den ersten Nachkriegsjahren der Backmasse Erdäpfel, Erbsen oder auch Maismehl bei, je nach dem was zu ergattern war. Dieses Brot hatte einen anderen Geschmack, aber es war Brot.
Ab Mitte der Fünfziger Jahre wurde das Selbstbacken des Brotes auch bei den Bauern immer seltener und allmählich ganz unterlassen. Die Ursache lag im damaligen Niedrigpreis von Mehl und Brot. Der Bäcker konnte erstmals für 2.50 kg Getreide einen 2 kg Laib Brot auf den Tisch legen. So setzte denn auch das Mühlensterben ein.
Nach und nach verschwanden die Backhäusl. Auch die Backöfen in den Bauernhäusern mussten Um- und Neubauten weichen.
Aus dem Buch "Von der Dorfmauer bis zur Fensterlucka", in dem man viele weitere interessante Erzählungen über das Leben damals in unserer Gemeinde findet.
Hier findet man eine Auflistung der Beiträge dieses Buches >
Verfasser
Ignaz Kralik (geb.1928), ehemals Summerau Mitte 42, 4261 Rainbach i. M.
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