Als Vertriebene gut aufgenommen

Als Vertriebene gut aufgenommen.

Wir waren Volksdeutsche aus Polen und jetzt sind wir Amerikaner, aber fünf kurze Jahre lang waren wir Summerauer. Obwohl ich schon fast sechzig Jahre von Summerau fort bin, denke ich noch immer gern an meine "Summerauer Zeit“ zurück. Es war eigentlich eine schreckliche Zeit, aber nur für die Erwachsenen, denn für uns Kinder hätte es keine besseren Zeiten geben können. Ich, Mario, der älteste Sohn von Herbert und Angela Gerhardt, habe nichts als schöne Erinnerungen, als wir in der Baracke 2 am Bahnhof von Summerau wohnten und lebten, das heißt, minus unseren Vater, der ja erst 1950 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war. Ein Grund dafür war unser Bauer und damit meine ich die Bauernfamilie Hofer, nämlich den Herrn und die Frau Johann Lonsing und deren Söhne und Töchter Hans, Franz, Mitzi und Resi.

Die Hofers waren unser „Bauer“. Ich habe keine Ahnung, wie es geschehen war, dass sie sich unser annahmen, als meine Mutter Angela ohne ihren Mann und unseren Vater und wir Kinder, meine zwei Brüder, Dieter und Herbert und ich nur mit zwei Koffern in Summerau ankamen. Aber eines war klar: von 1945 bis 1950 gehörten wir zur Hofer Familie. Der Herr Hofer war so etwas wie mein Großvater, die Frau Hofer wie meine Großmutter, Hans wie mein großer Bruder und Ersatzvater und Franz, Mitzi und Resi waren wie meine älteren Geschwister.

Wir wohnten in einer Baracke am Bahnhof in einer Wohnung mit nur zwei Zimmern, einem Schlafzimmer und einer Küche. Ein Badezimmer hatten wir nicht, dafür gab es aber ein Klo, welches wir mit unserem Nachbarn, der Familie Bender, teilten. Das Schlafzimmer war das Kinderzimmer und es gehörte meinen Brüdern und mir. Meine Mutter schlief in einem Bett in der Küche, die auch unser Wohnzimmer war. Das war es eigentlich nur im Winter, denn im Frühling und Sommer und Herbst brauchten wir kein Wohnzimmer. Ein Wohnzimmer brauchten wir nur im Winter, weil es da oft zu kalt war, um draußen zu spielen oder zu arbeiten. Während des Schuljahrs ging ich jeden Tag fleißig in die Schule. Wenn ich nicht in der Schule war, dann spielte ich entweder mit Freunden, die am Bahnhof oder auch in den Baracken lebten oder ich arbeitete und wenn ich arbeitete, dann war es bei „unserem Bauer“ Hofer. Ich arbeitete, weil es mir Spaß machte und nicht um Geld zu verdienen.

Ich ging fast jeden Tag zum Hofer, auch während des Schuljahres. Als Ältester in unserer Familie musste ich täglich zum Hofer gehen, um dort "unsere" Milch zu holen. Aber das war nicht alles, was ich tun musste. Während ich dort war, fand die Frau Hofer immer etwas für mich zu tun. Ich durfte den Hof auskehren, die Eier am Heuboden suchen und sammeln, die Butter rühren, den Stall misten und den Gemüsegarten jäten. Wenn ich fertig war und bevor ich nach Hause ging, "bezahlte" mich die Frau Hofer für meinen Dienst. Aber sie tat es nicht mit Geld, sondern mit Essen für meine Familie, wie zum Beispiel Brot, Speck, Butter, Mehl oder Kartoffeln. War ich während des Essens beim Hofer, dann lud man mich zum Essen ein. Zuerst kam das Tischgebet, dann die Suppe. Die Suppe war in einer Schüssel in der Mitte des Tisches. Niemand hatte einen Teller. Wir alle aber hatten einen Löffel, mit dem wir die Suppe direkt aus der Suppenschüssel aßen.

Summerau
1948
Verfasser

Mario Gerhardt, Ph.D , 5380 Parkside Trail, Solon, Ohio USA 44139

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