Als Schulkind und Jugendlicher beim Kirchenchor

Als Schulkind und Jugendlicher beim Kirchenchor.

Einmal hat uns in der Volksschulzeit die "Kummer-Fräun" (=Fräulein Kummer), so nannten wir unsere Lehrerin, zu ihr nach Hause eingeladen. Das waren von den Mädchen meine Kusine Peppi, die Schneider Elfi, die Jüngere von der damaligen Postmeisterin und ich und drei Buben, der Haiböck Hans, der Haider Fritz und der Leitner Engelbert. Wir sechs sind zum Fräulein Kummer in ihr kleines Wohnzimmer im 1. Stock beim Leitner gegangen. Hier stand ein großes Klavier. Von diesem waren wir ganz fasziniert. Da erklärte sie uns, dass es ihr Wunsch sei, dass wir in der Kirche im Chor singen sollen. Wir waren wahrscheinlich in der Schule die besseren Sängerinnen und Sänger. Wir sollten nun öfter zu ihr kommen, um die Noten zu lernen und singen zu üben und an den Wochentagen in die Frühmesse gehen, um zu singen. Dies war eine Grundbedingung. Das frühe Aufstehen hat uns oft gar nicht gefreut, denn um halb sieben in der Früh waren damals schon die Gottesdienste. Daheim mussten wir als Aufgabe Noten schreiben. Es musste ein Notenblatt abgeschrieben werden. Ich weiß noch ganz gut, dass mir das Schreiben des Violinschlüssels sehr schwer fiel. Da ich als Bauernkind bei der Arbeit oft mithelfen musste, hatte ich öfter nicht die Zeit zum Noten schreiben. Darum bat ich meine Kusine, dass sie mir die Noten schreibt. Ich fürchtete, dass ich sonst geschimpft bekäme. Da meinte sie darauf: „Ich schreibe es dir schon, wenn du mir dafür ein Butterbrot gibst." Das habe ich ihr gerne gegeben, denn wir hatten genug Brot, damit ich mir wieder eins herrichten konnte. Doch die Familie meiner Kusine lebte wirklich in Armut und auf engstem Raume. Von den Buben haben der Hans Haiböck und bald darauf auch der Fritz Haider mit dem Singen aufgehört und der Engelbert Leiter ist dann nach St. Florian zu den Sängerknaben gekommen. Payer Peppi ist nach der Schulzeit nach Linz gekommen, weil sie Säuglingsschwester wurde. Die Schneider Elfi ist auch weggekommen.

Ich durfte nach der Schulzeit zum Singen "aufs Chor" (= auf die Empore). Da musste man jedoch immer fragen, ob man hinaufgehen durfte. Dort herrschte eine strenge Sitzordnung. Auf den zwei Bankreihen ganz vorne saßen nur die Erwachsenen. Die Jungen mussten sich dahinter auf die Sessel setzen. Wenn dann zu Beginn der Messe noch ein paar Plätze in den Bänken frei waren, dann erst durfte man sich als Jugendlicher auch vorne hin setzen.

Bei Begräbnissen mussten wir auch singen. Damals waren diese noch am Vormittag. Das war nicht so einfach, wenn man auf einem Bauernhof lebte und als Arbeitskraft gebraucht wurde. Deshalb sang einmal bei einem Begräbnis meine Schwester, beim nächsten Mal dann ich. Manchmal erledigten wir schon zeitig in der Früh die uns aufgetragenen Arbeiten, damit wir beide singen konnten. Was mich früher immer bei den Begräbnissen störte, dass man da so große Unterschiede machte. Es gab für die weniger Bemittelten um neun Uhr ein Begräbnis dritter Klasse ohne Gesang. Es war nur eine Messe und dann die Beerdigung. Bei den "Besseren" war das Begräbnis um zehn Uhr mit Gesang. Für die "ganz Besseren" spielte noch zusätzlich die Blasmusik. Beim Begräbnis vom "Lippl" sollte nicht gesungen werden. Ich wollte aber mit ein paar anderen jungen Sängerinnen unbedingt bei seinem Begräbnis singen. Das war damals fast so als würde man einen Aufstand machen. Meine Eltern rieten mir davon ab. Ich musste extra das Fräulein Kummer und den Pfarrer um Erlaubnis bitten. Wir durften dann zwar in der Kirche singen, jedoch ein Lied beim Grab wurde nicht erlaubt. Als Belohnung haben wir nach dem Begräbnissingen zwei Zuckerl bekommen. Einige Zeit später hat es dann auch noch zusätzlich einen Schilling gegeben. Man kann sich heute gar nicht vorstellen, wie wir uns damals darüber freuten. Ich weiß noch, als meine Schwester Greti und ich den ersten Schilling bekamen, sagte ich: "Wenn wir zu unseren zwei Schilling noch ein bisschen Geld dazu tun, dann bekommen wir darum ein Packerl Manner-Schnitten." Das eine Packerl war natürlich für uns beide.

Aufgeschrieben von Helmut Knogler, 4261 Rainbach i. M., Labacher Straße 9 nach einem Gespräch mit Frau Anna Wagner, Flurstraße 5, 4261 Rainbach i. M., textlich manchmal umformuliert. Inhalt wurde von der Gesprächspartnerin danach kontrolliert, ob er passt.

Rainbach i. M.
1935
Verfasser

Helmut Knogler, 4261 Rainbach i. M., Labacher Straße 9 nach einem Gespräch mit Frau Anna Wagner, Flurstraße 5, 4261 Rainbach i. M.

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