Wohnen im Haus Rainbach 77 in den 1940er Jahren.
Ganz Europa war im Kriegszustand, als ich im September 1940 in Rainbach Nr. 77 (heute Kindergarten) geboren wurde. Mit einigen Jahren Unterbrechung wuchs ich dort, als jüngster von fünf Buben, in einer achtköpfigen Familie auf.
Mein Vater war Volksschullehrer, meine Mutter, eine Linzerin, führte den Haushalt. Ihre alte Firmpatin, von uns Frau Patin gerufen, besaß ein Geschäft in Linz, das sie, als ihr Mann starb, verkaufte. Noch bevor mein ältester Bruder geboren wurde, zog sie zu uns und war uns eine große Stütze in der Kriegszeit. Aus dem Verkauf ihres Geschäfts nahm sie so viel Geld mit, dass sie das Haus Nr. 77 hätte kaufen können. Sie sparte lieber ihr Geld. Nach Ende des Kriegs bekam sie für ihr Geld ein paar Kilogramm Brot.
Wir bewohnten im ersten Stock eine Vierzimmerwohnung, für mich als Kind geräumig, nach heutigen Maßstäben keine sehr großen Räume. In der Küche stand ein alter Küchenherd mit Rohr und Wasserschiff. Im Winter heizte ein Sägespäne-Ofen die Wohnung. Die Sägespäne bekamen wir von einem Tischler Böhm in Summerau. Der Ofen hatte einen herausnehmbaren Einsatz aus Blech. Beim Füllen musste eine dicke Stange in der Mitte des Einsatzes gehalten werden. Dann wurden die Sägespäne eingefüllt und festgestampft. Nach dem Herausziehen der Stange entstand ein Hohlraum, damit die Luft durchziehen konnte. Der Einsatz wurde nun in den Ofen gestellt. Im Ofen unten war ein kleines Türchen, durch das die Sägespäne angezündet und die Luftzufuhr gesteuert werden konnte. Vom Ofen führte ein Ofenrohr durch die Küche. Wo die Rohre zusammengesteckt waren, tropfte schwarzbrauner Saft herab, der von kleinen Dosen aufgefangen wurde, die mit einem Draht am Rohr befestigt waren. Neugierig, wie ich war, hob ich einmal den Deckel des angeheizten Ofens und es kam zu einer Verpuffung. Meine Augenbrauen, meine Wimpern und der Haaransatz waren angesengt . Zum Glück konnte ich den Deckel schnell wieder auflegen. Natürlich wagte ich nicht, das Missgeschick meinen Eltern zu beichten - es passierte ja nichts.
Im Wohnzimmer stand eine Eckbank mit Tisch, Platz für die ganze Familie. Im gepolsterten Lehnstuhl konnte sich meine Mutter zwischendurch ausruhen. Die beiden restlichen Zimmer dienten als Schlafzimmer für jeweils vier Personen.
Im zweistöckigem Haus wohnten mehrere Parteien: Im 2. Stock über uns wohnte Tierarzt Dr. Dirschlmayr, der glaubte, UFOS am blinkenden Sternenhimmel erkennen zu können, mit seiner Frau, der ich nur in Begleitung ihrer beiden verwöhnten Dackeln begegnete.
Daneben wohnte Volksschuldirektor Franz Klopf mit seiner Familie. Frau Klopf berichtete uns laufend über ihre Beobachtungen auf der Straße, die sie von ihrem Küchenfenster gut überblickte. Ihr Enkel Heli war einer unserer Spielgefährten.
Im ersten Stock befanden sich neben unserer Wohnung Kanzleiräume des Gemeindeamts, die 1947 in den 2. Stock und 1951 nach der Fertigstellung des Volksschulgebäudes in das Haus Rainbach 44 verlegt wurden. In die nebenan liegende Wohnung zog 1947 die liebenswerte Tapezierer-Familie Leitner ein. Ihre Zwillingssöhne Lucki und Herbert waren gern bei uns zu Gast.
Im Erdgeschoss wohnte Friseurmeister Plesz mit seiner Familie. Meine Brüder lästerten über meinen schwachen Haarwuchs, Herr Plesz aber meinte, ich habe dichtes, aber sehr dünnes Haar. Seitdem hatte er bei mir einen „Stein im Brett“.
Im Haus wohnten auch noch andere Parteien, an die ich mich aber nicht näher erinnere.
Auf der Rückseite des Hauses befand sich eine Holzhütte, in der die Parteien vorwiegend Holz für den Winter stapelten.
Zum Einkauf brauchten wir nur über die Straße zur Gemischtwarenhandlung Röbl gehen, in der wir ab und zu ein Stollwerk-Zuckerl und wenn es hoch herging, ein „Panuli“-Röllchen erstanden. Auch wenn wir nur Kleinigkeiten kauften, Frau Röbl war immer sehr nett zu uns. Ich kann mich noch an einen unangenehmen, gut gestellten Kunden erinnern, der täglich vor dem Brotkauf testete, ob das Brot ganz frisch sei, indem er den Finger in den Brotlaib bohrte und den Laib nur dann kaufte, wenn der Test bestanden war. Auf dem kleinen Eckbalkon im 1. Stock tarockierten wir gern mit Röbl Hermann.
Beneidet habe ich die Familie nur um das Fließwasser in der Wohnung, das mit einer Handpumpe aus einem Brunnen hinauf gepumpt wurde.
Für uns hingegen war die Wasserversorgung sehr beschwerlich. Wir mussten das Wasser in einem 60-Liter- Gefäß von einem ca. 150 Meter entfernten Brunnen, der mitten in einem Acker stand, herbeischaffen. Im Sommer gab es keine großen Probleme. Ich konnte auf einem kleinen Leiterwagen die schwere Fracht stabil befördern, aber im Winter blieb nur der Schlitten, von dessen vereister Oberfläche manchmal das bereits mit Wasser gefüllte Gefäß auf dem Heimweg abrutschte. Also zurück, erneut befüllen und hoffen, dass es nun gelinge. Einmal schaffte ich es erst beim vierten Versuch, die Ladung gut nach Hause zu bringen.
Fotos
Verfasser
Gottfried Haunschmid, Ing.-Ferdinand-Porsche-Str.9, 4400 Steyr
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