Volksschulinspektion

Volksschulinspektion.

Adalbert Stifter, einer der bedeutendsten Schriftsteller des Biedermeier schlug 1850 neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit die Beamtenlaufbahn ein und wurde Inspektor der oberösterreichischen Volksschulen. Stifter sah als Landesschulinspektor viel Änderungsbedarf im damaligen Schulwesen und entwickelte praktische Reformvorschläge. Dazu zählten vor allem die Sanierung der bestehenden Schulgebäude, der Bau neuer Schulen, die planmäßige Ausbildung der Lehrer und ihre materielle Besserstellung. Diese Reformvorschläge wurden vor allem immer wieder genährt durch Konfrontation mit untragbaren Zuständen im Zuge seiner Inspektionsreisen. Dass Stifter ein gütiger Inspektor war, der seinen damals noch mit mäßiger Ausbildung behafteten Lehrern mit Rat und Tat zur Seite stand, zeigt sein Bericht über die Inspektion der Volksschule Rainbach am 8. Februar des Jahres 1856: „Ich bin am 7., als am Tage, an welchem die Faschingsfeiern zu Ende gingen, von Linz nach Freistadt gefahren und habe noch an demselben Tage eine Unterredung mit dem hochw. Herrn Dechant gehalten. Am 8. morgens bin ich nach Rainbach gefahren, um die dortige Schule bei dieser Gelegenheit zu inspizieren. In Rainbach ist wegen Mangels an Gehilfen halbtägiger Unterricht, obwohl in dem neugebauten Schulhause zwei Lehrerzimmer sind. Ich habe daher, weil mein Hauptzweck Freistadt war, nur die eben anwesende 2. Klasse inspiziert. Sie erhält 82 Schüler, des sehr schlechten Wetters willen fehlten 15. Nach der von dem hochw. Herrn Pfarrer (Anmerkung des Verfassers: Zu dieser Zeit war Pfarrer Simon Fimberger in Rainbach tätig) gehaltenen Katechese lasen die Kinder ziemlich gut. Von den 19 Kindern der oberen Abteilung haben das vierzeilige Diktat ohne Fehler 1 Schüler, mit 1 Fehler 3 Schüler, mit 2 Fehler 4 Schüler, mit 3 Fehler 3 Schüler, mit 5 Fehler 3 Schüler, mit 6 Fehler 1 Schüler, mit 7 Fehler 1 Schüler, mit 9 Fehler 1 Schüler, mit 11 Fehler 1 Schüler und mit 12 Fehler 1 Schüler geschrieben, welcher Erfolg nicht als genügend angesehen werden kann. Die nächst untere Abteilung schrieb bedeutend fehlerhaft. Im Kopfrechnen brachten die Größeren von den zwei Aufgaben 12 und 9 richtige Auflösungen, die Kleinen rechneten sehr gut. Mit Beihilfe des Lehrers (Anmerkung: Zu dieser Zeit war Josef Brunner als Hilfslehrer und prov. Schulleiter tätig) rechneten die Schüler wie gewöhnlich ausgezeichnet. Der Erfolg im Kopfrechnen kann daher als sehr gut bezeichnet werden. Im Tafelrechnen zeigte die obere Abteilung wenig Gewandtheit. Die von mir gegebene Aufgabe 18.357 fl. 45 Kr. 3 Pf. mal 9 löste nur einer richtig. Wie ist zu erwarten, daß diese Schüler, welche im Sommer austreten, wenigstens die Mehrzahl in Proportionen werden rechnen können? Die nächst unterste Abteilung war im Zahlenanschreiben geübt. Im Schönschreiben kann der Erfolg mit gut bezeichnet werden, ebenso in der deutschen Sprachlehre. Ich nahm nach der Schule in Gegenwart des Herrn Pfarrers den Schulleiter vor und führte ihm in freundlichen Worten die wahrgenommene Mangelhaftigkeit zu Gemüte und suchte ihm zu zeigen, wie man es im Lesen, namentliche mit Zuhilfenahme der Lautiermethode in kurzer Zeit zum fertigen Lesen mit allen Schülern bringen könne, wie das Lesen dann die Grundlage zu allen anderen Kenntnissen sei. Ich zeigte ihm auch, wie er im Rechnen vorgehen möge, um günstige Erfolge zu erzielen. Er ist nur bei dem 84jährigen Lehrer (Anmerkung des Verfassers: Michael Schmidinger) Provisor, und nach der Aussage des Herrn Pfarrers ist seine Stellung eine kümmerliche, obwohl der Schuldienst gut ist. Ähnliche Fälle kommen sehr oft vor.

Es wäre wünschenswert, wenn die Stellung der Provisoren zu den alten oder kränklichen oder schwachen Lehrern durch ein Gesetz genauer geregelt wäre, als es durch die allgemeinen Schulregulative jetzt der Fall ist.

Bezüglich der Schulzimmer musste ich auch eine Erinnerung zur größeren Reinlichkeit und Verklebung des Ofens, welcher sehr rauchte, geben. Es ist dies wieder Sache des alten Lehrers. Ich bat den hochw. Herrn Pfarrer um kräftiges Einschreiten. Der weltliche Ortsschulaufseher war nicht anwesend, ich konnte ihn also nicht sprechen. Der Herr Pfarrer erklärte sich mit ihm zufrieden. Der Schulbesuch ist im ganzen nach den Verzeichnissen befriedigend. Das Schulhaus ist in sehr gutem Zustande, da es erst vor einigen Jahren neu gebaut wurde. Nur sind die Röhren der Aborte zu schief gestellt. Es häuft sich daher der Unrat an. Ich glaube, die Bitte um Untersuchung dieses Umstandes stellen zu müssen. Auch ist mir gesagt worden, daß die Küche beständig rauche.

Um 11 ½ Uhr fuhr ich wieder nach Freistadt zurück“.(1)

Quellenverzeichnis: (1) „Die Schulakten Adalbert STIFTERS“, Seite 124 und 125, A. Stifter-Institut OÖ., Linz, Stiasny-Verlag, 1955 (Dr. Schiffkorn) entdeckt und durch Anmerkungen ergänzt und zur Verfügung gestellt vom Verfasser Hans Stöglehner.

Rainbach i. M.
1856
Verfasser

Hans Stöglehner (geb.1939), Stadln 5
4261 Rainbach i. M. (gest.2021)

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