Schulausflug der Zulisser Schüler.
1955 - Ausflug nach Linz und Schifffahrt nach Grein
Als wir in der letzten Schulwoche von unserem Herrn Oberlehrer erfahren, dass wir am letzten Schultag, einen Ausflug unternehmen werden, sind wir nicht mehr zu halten. Er sagt uns, dass wir mit dem Zug nach Linz fahren, dann mit dem Schiff nach Grein und von dort über Mauthausen – Gaisbach nach Summerau zurück. Die Strecke interessiert uns nicht, aber Zug und Schiff – das sind die Schlüsselwörter!
Endlich ist er da, der 2. Juli 1955. Vor lauter Vorfreude und Aufregung schlafe ich schlecht und bin am Morgen schon rechtzeitig auf den Beinen. Mutter hat mir ein schon Jausenpackerl hergerichtet, Vater hat mir noch schnell am Tag vorher die Haare geschnitten – etwas, das ich überhaupt nicht mag, weil Vater’s alte Haarschneidemaschine reisst und klemmt immer wieder Haare ein.
Viel früher als sonst treffen wir uns auf der Dorfstraße und viel schneller als sonst eilen wir dem Schulhaus zu. Vor dem Schulhaus geht es zu wie in einem aufgescheuchten Hühnerhaufen. Die beiden Aufsichtspersonen, Herr Oberlehrer Lang und seine Gattin werden von den 31 Schulkindern – alle sind gekommen, nur der Gangl-Hansi nicht – immer und immer wieder mit Fragen bestürmt: „Bitte, wann gehen wir denn los?“, „Bitte wohin fahren wir denn?“ – Eigentlich müssten wir all das bereits wissen, aber sicher ist sicher ...
Kurz nach dem Weggehen von der Schule hat sich die Gruppe schon sehr in die Länge gezogen: Voran die älteren, schnelleren und ganz hinten Herr und Frau Lang mit einigen „Getreuen“. Als die ersten vom „Pirauberg“ aus den Bahnhof erblicken und sehen, dass die Lokomotive bereits ordentlich qualmt, gibt es kein Halten mehr. Sie stürmen den „Stammfest-Weg“ hinunter über den Bahnübergang dem Bahnhof zu, um ja die Abfahrt nicht zu verpassen. Es erscheint uns fast als eine halbe Ewigkeit, bis Herr und Frau Lang – auch von den „Getreuen“ mittlerweile verlassen – am Bahnhof eintreffen.
Sicher öfter als 31mal wird die Frage gestellt: „Bitte, wann dürfen wir denn einsteigen?“ – na endlich! Der Waggon stammt noch aus der Kriegszeit. Die Sitze sind Stäbe aus Lärchenholz und über den beiden Türen kann man noch den notdürftig übermalten Reichsadler mit dem Hakenkreuz sehen. Nach dem anfänglichen Gerangel um die Sitzplätze sind innerhalb kürzester Zeit sind die Fenster heruntergelassen und mit Kinderköpfen ausgefüllt – eine Szenerie, die pausenlos wechselt, denn immer ist ein anderer Platz besser als der momentane. „Bitte, wann fahren wir denn?“ – ein Lehrer muss Einiges aushalten!
Plötzlich ertönt ein scharfer Pfiff. Der Fahrdienstleiter – erkennbar an der roten Kappe – hebt den Signalstock mit der grün-weißen Scheibe und den beiden Löchern, deren Funktion ich bis heute nicht eruieren konnte und die Lokomotive setzt sich fauchend und rauchend in Bewegung.
An uns ziehen am Bahndamm die Telegrafenmasten mit einer Vielzahl von Drähten vorbei, die Lokomotive qualmt und rußt und immer wieder müssen Rußteilchen aus den Augen entfernt werden. „Bitte, Frau Lehrerin, i hob wos im Aug!“ Kaum entfernt, ist das Gesicht mit Blick in Fahrtrichtung schon wieder draußen. Beklemmung kommt auf, als wir die Donau überqueren – hoffentlich hält die Brücke! Schließlich bringt die gewaltige Dampflokomotive ein ordentliches Gewicht auf die Waage. Doch die Eisenträger haben sicher schon schwereren Lasten Stand gehalten. Kurz darauf fährt der Zug durch das gewaltige Industriegebiet der VÖEST und der Stickstoff-Werke. Überall wälzen sich pausenlos gewaltige Rauchwolken in verschiedenen grauweiß-rötlichen Farben in den Himmel.
Nach dem Aussteigen auf dem Linzer Hauptbahnhof kauft sich die Kralik-Mitzi an einem Verkaufskiosk eine Banane. Ich kenne nicht einmal den Namen dieser Frucht und weiß schon gar nicht, wie sie schmeckt. „He, los mi kost’n!“ Hm - schmeckt gar nicht so schlecht und vor allem süß. Also kaufe ich auch eine Banane, und von da an ist der Kauf einer Banane ein fixer Bestandteil eines Schulausflugs.
Wir gehen geordnet – muss wohl so sein – durch den Volksgarten und sehen uns im Non-Stop-Kino am Schillerplatz „Fox’ tönende Wochenschau“ an. Ich sitze also zum ersten Mal in meinem Leben in einem Kino. Der Film ist zwar auch schwarz-weiß aber doch etwas ganz anderes als die Stummfilme, die wir hin und wieder in der Schule zu sehen bekommen. Noch dazu die breiten, tief gepolsterten Stühle!
Der Herr Oberlehrer mahnt zum Aufbruch und wir streben – wieder geordnet – durch die Landstraße dem Hauptplatz und der Schiffsanlegestelle der DDSG zu. Die vielen Straßenzüge, die Autos, und vor allem die Straßenbahnen mit ihrem „Bimm“ machen nicht nur auf mich einen großen Eindruck – da soll sich einer auskennen!
Das Schiff! Ein weißes Ungetüm mit je einem riesigen Schaufelrad an der Seite und einem Schlot, aus dem schwarzer Rauch quillt, angehängt an armdicken Stahlseilen, unter denen das Donauwasser durchströmt. Nach meiner ersten Einschätzung steht es verkehrt: wir müssen donauabwärts fahren, aber sein Bug zeigt gegen die Strömung. Doch das wird sich ändern. Nach einem Hupsignal werden die Stahlseile gelöst und zwei gewaltige Zylinder setzen die Schaufelräder in Bewegung. Dabei übersehen wir fast, wie sich das Schiff dreht und nun doch mit dem Bug donauabwärts zeigt. Es wird immer schneller, die Schaufelräder patschen und gischen und an uns zieht die Landschaft vorbei: wir betrachten auf der rechten Seite die VÖEST mit ihren qualmenden Schloten und fahren unter der Eisenbahnbrücke durch in Richtung Mauthausen und Grein. Mir fällt – im Gegensatz zur Zugfahrt und abgesehen vom Zischen der Schiffszy-linder – die Ruhe auf, mit der sich das Schiff bewegt. Zum Anlegen in Grein muss das Schiff wieder gegen die Strömung gedreht werden, was wieder einen beträchtlichen Lärm der Schaufelräder mit dem Wasser verursacht.
In Grein besichtigen wir das Stadttheater, das älteste Theater Österreichs mit seinen Sperrsitzen und im Anschluss daran das Schloss Grein.
Aber meine Gedanken sind schon wieder bei der kommenden Zugfahrt. Sie geht der Donau entlang herauf bis Mauthausen, dort müssen wir umsteigen und fahren direkt nach Gaisbach-Wartberg. Diese Strecke wird einige Jahre später aufgelassen, der Bahnkörper ist an einigen Stellen heute noch zu sehen.
Der längere Aufenthalt in Gaisbach wird genützt, um ein Gemeinschaftsfoto der Zulisser Schulkinder anzufertigen. Von dort weg geht es mit dem Zug nach Summerau, am späteren Nachmittag zu Fuß zu-rück nach Zulissen und am nächsten Tag nach der Verteilung der Zeugnisse ab in die Ferien.
Fotos
Verfasser
Hubert Kolberger (1948-2023)
Summerauer Straße 29
4261 Rainbach i. M.
Info
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