Utensilien des Gemeindedieners Leopold Leitner.
Handschellen (Kette) und das Tascherl für deren Aufbewahrung und eine Haarschneideschere gehörten Leopold Leitner (Großvater von Ludwig Leitner), der nach dem 1. Weltkrieg Gemeindediener war und mit sich mit Haare schneiden zusätzlich Geld für den Lebensunterhalt seiner Familie verdiente
Als Gemeindediener machte Leopold Leitner für die Gemeinde den Boten und musste so vielen Gemeindebewohnern schriftliche Verständigungen usw. bringen. Wenn einer vorgeladen wurde, brachte er ihm die Nachricht.
Samstags und sonntags musste er auch Sperrstunde machen. Dazu zog er seine Uniform an und ging in die Gasthäuser und sagte: "Schluss machen, ausgetrunken wird!" Manchmal ging er ein zweites Mal, aber dann mussten die Gäste wirklich heimgehen. Die Leute taten dies auch, denn sie hatten vor ihm wirklich Respekt. Bei anderen Verfehlungen kam es manchmal vor, dass er jemanden in den Arrest, einem Raum in unserem Haus, einsperren musste.
Der Arrest war im Haus Rainbach Nr. 5, das westlich hinter dem Blumauer-Wirtshaus stand. Hier hatte Leopold Leitner das Wohnrecht, weil er Gemeindediener war und das Gebäude der Gemeinde gehörte. Der Arrest war neben der Schwarzen Kuchl im nordwestlichen Teil des Hauses. Er war ein länglicher rechteckiger Raum, ungefähr 3 x 1,5 m groß. Darin stand ein hölzernes Bett mit damalig üblicher Liegefläche, einem Strohsack. Ein Stockerl und ein eiserner Ofen standen auch drinnen. Nach Westen hatte er ein kleines mit einem eisernen Fensterkreuz vergittertes Fenster.
Eingesperrt wurden meistens Betrunkene, wenn sie randalierten. Vom Pauli-Markt in Freistadt wurde oftmals von den Freistädter Beamten ein betrunkener Rainbacher gebracht, der hier eingesperrt wurde, bis er nüchtern war. Sehr oft wüteten sie im Zimmer und schlugen heftig gegen die Tür. Die hölzerne Tür zierte ein kleines Guckloch, das man mit einem Schieber verschließen konnte. Die Kinder hatten große Angst und fürchteten sich sehr. Sie glaubten, sie könnten ausbrechen. Aber allmählich beruhigten sie sich doch. Nächsten Tag waren aber die Kinder recht neugierig und schauten durch das Fenster in den Arrest. Die Eingesperrten hatten oft Spielsachen mit, die sie ihren Kindern heimbringen wollten. Weil sie ihr schlechtes Benehmen gutmachen wollten, schenkten sie den Leitner Kindern durch das Fenster manchmal Spielzeug. Einmal wurde ein straffälliges Pärchen im Zug von Linz nach Summerau aufgegriffen. Es wurde in Rainbach eine Woche lang eingesperrt. Es ging ihnen jedoch nicht schlecht, denn zu essen bekamen sie dasselbe, was auch der Familie serviert wurde. Untertags nahmen sie die Leitners zum Erdäpfelgraben zum Acker beim Paßberger-Steig mit. Die Kinder mussten aufpassen, dass sie nicht flüchteten. Am Abend wurden sie wieder gemeinsam in den Arrest gesperrt.
Wenn niemand eingesperrt war, schlief sein ältester Sohn Max im Arrest. Hier hatte er es angenehmer als alle anderen in der Familie, denn in der Kammer schliefen der Vater und die Kinder jeweils zu zweit in einem Bett, der Großvater hatte als einziger ein eigenes Bett. Bei der Mutter schlief jeweils das jüngste Kind. Meistens schlief auch ein kleines Kind in einer Lade des Schubladenkastens. So war also der Arrest die meiste Zeit für eines der Kinder ein willkommener zusätzlicher Schlafraum.
Um sich zusätzlich zur kargen Bezahlung der Gemeinde etwas zu verdienen, schnitt er den Männern die Haare und den Bart. Diese kamen durch das kleine Vorhaus in die Stube. In dieser standen ein kleiner Tisch mit einer Bank und Sesseln und ein Kachelofen, aber auch das Bett unserer Mutter.
Meist warteten die Männer auf der Bank beim Ofen. Bei der Tür stand ein quaderförmiger hölzerner Behälter, ein Spucknapf. Er war teilweise mit Sägespänen gefüllt. Die meist tabakkauenden Männer spuckten oftmals hinein. Daneben war ein Schuhkasterl und eine Truhe. In dieser hatte er seine Wäsche und im Ladenfach zwei Rasiermesser, Pinsel und eine Haarschneideschere. Auch auf der Truhe saßen manchmal Wartende. In der Nähe der Truhe saß derjenige, der gerade dran war, auf einem Sessel, denn hier in Fensternähe konnte mein Großvater bei der Arbeit besser sehen. Wenn es draußen früh dunkel wurde, mussten seine Kinder öfter mit der Kerze leuchten. Einen fixen Tarif hatte er nicht. Er bekam einfach das, was ihm jeder willig war. Frauen kamen keine, denn damals war es auf dem Lande nicht üblich, dass eine Frau zum Frisör ging. Für die Kinder war das oft sehr interessant, was erzählt wurde und was sich hier abspielte.
Für seine Frau war es aber oft auch eine Pein, denn sie musste im selben Raum für die Familie kochen und die anderen Hausarbeiten machen. Sogar im Wochenbett lag sie neben den rauchenden Männern, nur abgetrennt durch Leintücher, die durch aufgestellte Recherstangen gehalten wurden. So gings also im ersten Rainbacher-Frisörladen zu.
Quelle: Nach Erzählungen von Ludwig Leitner und Maximilian Leitner.
Fotos
Verfasser
Helmut Knogler (geb.1949), Labacher Straße 9, 4261 Rainbach i. M.
Info
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